Sehr geehrte Frau Melior,
vielen Dank für die heutige – anregende − Veranstaltung zu Biber, Wolf und Kormoran in Neuseddin.
FFH- und „Vogelschutz“-Richtlinie entwickeln zunehmend Sprengkraft. Sie haben sich in Deutschland auf Bundes- wie Landesebene längst zu einem – zumindest gefühlt – kaum noch beherrschbaren Moloch entwickelt. Darunter leidet vor allem der ländliche Raum, und zwar massiv.
Gutachtenaufträge von zumeist in der entsprechenden Szene selbstverständlich gut verdrahteten Mitarbeitern in Regierung und Verwaltung halten eine ganze Industrie von Öko-Büros am Leben, deren Daseinszweck vor allem in der Abfassung von sog. „Managementplänen“ besteht (die sich als zunehmend nutzlose, für die Betroffenen gleichwohl gefährliche Papierberge erweisen). Eigens rekrutierte „Biber- oder Wolfsbeauftragte“ gehören in dieselbe Kategorie.
Mit dem „Monitoring“, der „Rissbegutachtung“ oder der genetischen Analyse von Spuren wie Kadavern lassen sich ganz neue Forschungszweige bzw. Fördertöpfe eröffnen und lässt sich vor allem trefflich Geld verdienen. Von Sekundärmärkten für z.B. technisches Gerät bis hin zum Verkauf von Wolfsdevotionalien ein Selbstbedienungsladen ersten Ranges. Dass dieses wahrlich florierende perpetuum mobile, koste es, was es wolle, unter allen Umständen am Laufen gehalten werden muss, versteht sich von selbst. Die einschlägige NGO-Szene einschließlich nachgelagerter „Produktionszweige“ stößt sich daran finanziell gesund – und zwar auf Kosten des ländlichen Raumes.
Vor allem aber behalten bestimmte Kreise durch die Lenkung wie Monopolisierung des Themas und seine rechtliche Flankierung die Deutungshoheit über das FFH-Geschehen im Lande. Mit der FFH-Richtlinie wird die Machtfrage im ländlichen Raum neu gestellt. Denn eigentlich kann Land-, Forst- oder Fischereiwirt auf seinen Flächen im Rahmen des geltenden Rechts machen, was er will. Wenn seine Rechte, insbesondere solche nach Art. 14 GG (Eigentum), eingeschränkt werden, dann bedarf es dazu demokratisch legitimierter Gesetzesakte.
Im Falle der FFH-Richtlinie liegt der Fall dagegen anders: Die Richtlinie definiert qua Einstufung z. B. von Biber, Wolf und Kormoran total geschützte, mithin sakrosankte Arten. Wo auch immer diese aufkreuzen (und sie tun das – jedenfalls bislang – nicht in den Städten, sondern nur außerhalb im ländlichen Raum), verliert der Eigentümer jegliches Abwehrrecht. Er muss buchstäblich tatenlos zusehen, wie seine Fische massakriert, seine Schafe, Rinder oder Pferde gerissen, seine Flächen unter Wasser gesetzt oder seine Deiche geschwächt werden. Es ist absolut absehbar, dass es nicht bei Sachschäden bleibt, sondern irgendwann in der näheren oder ferneren Zukunft auch Menschen zu Schaden kommen.
Die Folgen des Verlustes individueller Freiheit selbst bei nur gefühlten Bedrohungsszenarien durch frei laufende Großraubtiere für die Menschen im ländlichen Raum lassen wir hier einmal außer Betracht. Fakt ist: Ohne jede demokratische Legitimation entscheiden angebliche oder wirkliche naturschutzfachliche Experten, wann der Zustrom selbst längst zur Plage gewordenen Arten ein Maß erreicht hat, das Eingriffe erfordert oder zumindest zulässt.
Dabei ist das auch heute wieder gehörte Mantra, dass allein naturschutzfachliche Gesichtspunkte über den Erhaltungszustand einer Art entscheiden, so irreführend wie falsch. Denn die (oftmals leider nur selbsternannten) „Experten“ entscheiden tatsächlich wie die sprichwörtlichen Fachidioten. Sie operieren mit Populationsgrößen, die sie bestimmten Flächeninhalten zuordnen. Bei dem Jonglieren mit Flächenvorgaben und Ausbreitungskoeffizienten werden politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche, vor allem aber landschaftskulturelle Gegebenheiten explizit ausgeblendet.
Naturschutzfachlich möglicherweise sogar höchst qualifiziert, in der Sache aber absolut ignorant, nehmen die „Experten“ bei dieser Operation der Politik die Zügel vollständig aus der Hand. Und dann grassiert eben der ungehemmte Ausbreitungswahn. So selbstverständlich es ist, dass Wölfe auf dem Potsdamer Alten Markt aus Gründen fehlender öffentlicher Akzeptanz nichts verloren haben, eben weil dies politisch so gewollt ist, so ist es Aufgabe der Politik, Regionen, Bereiche oder Orte zu definieren, wo Wölfe geduldet werden können und wo nicht.
Denn das führt zu den schon jetzt unhaltbaren Zuständen: Wenn die total geschützte Art einen Schaden anrichtet, dann liegt es, so die zynische Argumentation, natürlich nicht am Biber-, Wolf- oder Kormoran-typischen Verhalten, sondern – und zwar ausschließlich – an fehlerhaften bzw. mangelnden Schutzmaßnahmen auf Seiten der Geschädigten. Die mit dieser eigentlich bodenlos unverfrorenen Argumentation einhergehende Aufrüstungsspirale verschlingt öffentliche wie private Ressourcen in einem Umfang, der schon heute abenteuerlich ist. Ganz abgesehen davon, dass die Verhältnisse in Deutschland sich regional schlicht nicht eignen, um z. B. flächendeckend meterhohe und unter elektrische Spannung gesetzte Zäune zu errichten – von der Verunstaltung der Landschaft einmal ganz abgesehen.
Der Verweis der Geschädigten auf finanziellen Schadensersatz ist dabei kein wirklicher Ausgleich, sondern eben nur „Ersatz“. Was monetär ersetzt wird, ist, wie jedermann weiß, nicht das, was der Geschädigte zuvor an dem geschädigten Gegenstand hatte. Schafe, Kälber oder Pferde sind für ihre Besitzer eben nicht nur pekuniäre Größen, die sich mit ein paar Euro ersetzen lassen. Es macht die Menschen im ländlichen Raum wütend und aggressiv, wenn sie sich derartige Parolen anhören müssen. Es geht schließlich um ihre persönliche Sicherheit, ihre Tiere, ihr Hab und Gut, es geht um ihre Heimat.
Wolf, Biber und Kormoran werden vor den Toren der Stadt deshalb längst als – dringend abzuwehrende – Einmischung Dritter in den eigenen Rechtskreis wahrgenommen. Nicht mehr Herr im eigenen Haus sein zu können, sondern sich Maßregelung, Gängelung und Schaden in einem Ausmaß gefallen lassen zu müssen, „nur“ um – fehlverstandenem – europäischem Artenschutz Rechnung zu tragen, führt zu den heute auch von anderen Diskutanten weithin beklagten Ohnmachtsgefühlen.
Der Eindruck, einer von bestimmten Interessengruppen ohne die erforderliche politische Kontrolle vorangetriebenen Entwicklung letztlich schutzlos ausgeliefert zu sein, ist mutmaßlich die stärkste Triebfeder für die landauf landab zu beobachtende Entwicklung, sich zu widersetzen, jedenfalls aber dem grassierenden Treiben keinesfalls länger tatenlos zuzusehen. Was das Maß vollmacht, ist schließlich die schlechthin unerträgliche Arroganz, mit der den Menschen im ländlichen Raum aus den städtischen Wärmestuben heraus vermittelt wird, was sie zu ertragen haben und was nicht.
Daran sollten Sie etwas ändern. Dann hätten Sie tatsächlich etwas gekonnt. Nicht nur für die Heimat von Biber, Wolf und Kormoran, sondern vor allem für die Heimat der Menschen in diesem Lande.
Mit freundlichen Grüßen!
Ulrich Böcker
Geschäftsführer der Familienbetriebe Land & Forst Brandenburg