Beyer: „Politik bedeutet für das als richtig Erkannte einzustehen und es populär zu machen! Wolfsgegner und Wolfskuschler sind für die Verbände im Forum Natur keine Begriffe des Diskurses!“
Die Verbände im Forum Natur werten die heutige Kundgebung vor dem Landtag mit rund 300 Teilnehmern als vollen Erfolg. „Es war richtig,dass wir unter dem Motto „Aktives Wolfsmanagement jetzt!“ zu einer Beteiligung an der Veranstaltung aufgerufen haben“, stellt der Geschäftsführer des Forums, Gregor Beyer, nach der Veranstaltung klar. Die große Resonanz hätte gezeigt, wie wichtig es sei, dass sich die Landnutzer über die verschiedenen Nutzungsarten hinweg vernetzten und ihre jeweiligen Anliegen gemeinsam deutlich machten. In seiner Rede hob Beyer hervor, dass die Antwort auf die Probleme insbesondere der Tierhalter nur aus einem Mix mehrerer Maßnahmen bestehen könne. Dass es dafür keine Denkverbote geben dürfe, sei eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg.
Beyer stellte klar, dass es neuerdings einige hoffnungsvolle Zeichen für eine politische Bewegung in der Wolfsdebatte gebe. So hätten die jüngsten Äußerungen von Minister Vogelsänger gezeigt, dass dieser zumindest den dringenden Handlungsbedarf für Regionen, in denen der günstige Erhaltungszustand der Wölfe hergestellt sei, erkannt habe. Allerdings lasse man den Minister nicht mehr mit einigen wohlfeilen Sprüchen bei Bauerntagen vom Acker, wenn auf diese Ankündigungen nicht konsequente Maßnahmen folgten würden.
Insbesondere wies Beyer auf den offenen Brief einer illustren Gruppe verschiedener Verbände vom Vortag hin. In diesem hatten kleinere und größere Umweltverbände, ein eher kleiner Jagdverband der gerne ein großer wäre und einzelne Personen, die ein fast akrobatisches Unterschriftsmanagement zwischen diversen Ämtern an den Tag legen würden, Forderungen unterschrieben, bei denen man ihnen nur zurufen könne: „Jetzt seid ihr schon so weit gegangen, na dann springt doch noch über die letzte Hürde, dann gehört auch ihr zu den Guten! Wir sprechen ausdrücklich eine Einladung an euch aus!“
Abschließend wandte sich Beyer gegen einige Darstellungen, dass sich mit der heutigen Demonstration „populistische Wolfsgegner“ versammelt hätten. Er stellte klar, dass er bei der Veranstaltung keinen einzigen Wolfsgegner getroffen habe, sondern lediglich Menschen, die sich erlaubten darauf hinzuweisen, dass die Existenz des Wolfs in der Kulturlandschaft auch Areale bedürfe, in denen der Wolf konsequent vergrämt und letztlich auch gejagt werden müsse. Wer in Schubladen wie „Wolfsgegner“ und „Wolfskuschler“ denke, sei selbst Bestandteil des Problems. Beyer wandte sich diesbezüglich auch deutlich gegen den Populismusvorwurf und stellte klar, dass es der Sinn und das Wesen der Politik – insbesondere der demokratischen Politik – sei, für seine Überzeugungen zu kämpfen und diese populär zu machen. Dies könne für jeden, der sich auf den Boden der Vernunft stellen wolle, nur bedeuten:
Zum öffentlichen Fachgespräch „Wolf und Herdenschutz – Suche nach konstruktiven Lösungsansätzen“ am Montag, den 8. Oktober 2018, war auch das „Forum Natur Brandenburg“ als Expertenvertreter geladen. Der Geschäftsführer des FNB, Gregor Beyer, hat im Rahmen der Anhörung insbesondere auf die Situation in Brandenburg abgestellt und dabei die Möglichkeiten von Eingriff und Bejagung des Wolfsbestandes nach den gegenwärtigen und den zukünftigen rechtlichen Möglichkeiten dargestellt. Ebenso ist er auf den Umstand eingegangen, dass es zur Sicherstellung der Akzeptanz für den Wolf zukünftig der Definition eines sogenannten „Nationalen Akzeptanzbestand“ und dessen rechtlicher Fassung bedarf. Mit Darlegungen für eine zukünftige „wildökologische Raumplanung“ hat er den dringenden Bedarf an Konkretisierung der parlamentarischen Anträge zur Umsetzung der Absichtserklärung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verdeutlicht.
Nachfolgend findet sich sein verschriftlichtes Eingangsstatement:
„Wolf und Herdenschutz – Suche nach konstruktiven
Lösungsansätzen“
Gregor Beyer
Brandenburg ist zusammen mit Sachsen und
Mecklenburg-Vorpommern eines derjenigen Bundesländer, in welchem sich die
Probleme rund um das Wiedererstarken des nationalen Wolfsbestandes am
deutlichsten manifestieren. Während in der ehemaligen DDR ununterbrochen
einwandernde Wölfe konsequent erlegt wurden, genießen diese Tiere seit dem 1. April
1992 mit Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes in den neuen Ländern faktisch den
umfänglichen Schutz der europäischen FFH Naturschutzgesetzgebung.
Abbildung 1:
Wolfsrisse an Nutztieren nach Angaben des MLUL Brandenburg, Stand 07/2018
Damit nahm eine Entwicklung ihren Lauf, die
im ersten Wolfsmanagementplan für das Bundesland Brandenburg bereits 1994
minutiös vorausgesagt wurde. Durch das vollständige Einstellen der Bejagung des
Wolfs und der dadurch wieder möglichen Reproduktion begann sich, ausgehend von
großen Truppenübungsplätzen, innerhalb weniger Jahre ein stabiler Wolfsbestand
aufzubauen. Gleichzeitig korrelieren seit dieser Zeit analog zum jährlichen
Zuwachs von rund 30 % die zu beobachtenden Schäden an Nutztieren. Während in
den ersten Jahren vor allem die Schafhalter betroffen waren, nehmen nunmehr
auch die Schäden an Rindern deutlich zu. Dies deutet auf die aus vielen anderen
Ländern bekannte Aufrüstungsspirale der Schutzmaßnahmen hin.
In dieser Situation haben die Betroffenen im Land Brandenburg
große Hoffnungen in die Formulierung des Koalitionsvertrages der gegenwärtigen
Bundesregierung gelegt. In diesem wird unter dem Kapitel „Weidetierhaltung“ wie
folgt ausgeführt:
„Die
Weidetierhaltung ist aus ökologischen, kulturellen und sozialen Gründen sowie
zum Erhalt der Artenvielfalt und Kulturlandschaft zu erhalten. Im Umgang mit
dem Wolf hat die Sicherheit der Menschen oberste Priorität. Wir werden die
EU-Kommission auffordern, den Schutzstatus des Wolfs abhängig von seinem
Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendige Bestandsreduktion herbeiführen zu
können. Unabhängig davon wird der Bund mit den Ländern einen
geeigneten Kriterien- und Maßnahmenkatalog zur Entnahme von Wölfen entwickeln.
Dazu erarbeiten wir mit der Wissenschaft geeignete Kriterien für die letale
Entnahme. Wir wollen, dass Wölfe, die Weidezäune
überwunden haben oder für den Menschen gefährlich werden, entnommen werden.“
Diese Ausführungen decken sich vollumfänglich mit den
Erfahrungen aus Brandenburg, wo die politische Debatte mittlerweile
insbesondere auf das zukünftig dringend notwendige Bestandsmanagement des
Wolfes abzielt. Umso enttäuschender sind die Ausführungen im Antrag der Regierungsfraktionen
von CDU/CSU und SPD (Drucksache 19/2981), die diesen Aspekt bislang vollständig
ausklammern.
Um zu einer befriedigenden Situation für die betroffenen
Bundesländer zu gelangen, wird es unumgänglich sein, dass der Bundesgesetzgeber
die bislang höchst strittigen Formulierungen zum „Bestandsmanagement“ einer
streng geschützten Art im Bundesnaturschutzgesetz konkretisiert. Dabei steht
der Gesetzgeber vor dem Problem, dass der sogenannte Eingriff in den Bestand
einer streng geschützten Tierart nach § 45, Abs. 7 BNatSchG bereits heute als
Einzelfallentscheidung möglich ist. Diese Möglichkeit hat das Bundesland
Brandenburg durch Inanspruchnahme der Verordnungsermächtigung durch eine eigene
Brandenburgische Wolfsverordnung (BbgWolfV) genutzt und bewegt sich damit unter
Vorbehalt gegebenenfalls noch gerichtlich zu klärender Fragen „haarscharf“ an
der Grenze dessen, was die Bundesgesetzgebung momentan ermöglicht.
Auf der anderen Seite der praktischen
Möglichkeiten steht die sogenannte reguläre Bejagung, wie sie in Deutschland
über die Revierjagd und in anderen EU-Ländern über die Lizenzjagd, ausgeübt
wird. Solange der Wolf jedoch in den Anhang IV der FFH-Richtlinie eingestuft
ist, besteht diese Möglichkeit in der Bundesrepublik für den Wolf nicht im
praktischen Vollzug. Es wird daher eine dringend anzugehende Aufgabe der
Bundespolitik sein, eine Umstufung des Wolfs in den Anhang V zu erreichen,
wenngleich dafür ein „einstimmiger Ratsbeschluss“ auf EU-Ebene notwendig ist.
Abbildung 2:
Darstellung der rechtlich möglichen und gegenwärtig nicht möglichen Varianten
für ein Bestandsmanagement des Wolfes in Deutschland
Für die Lösung der gegenwärtigen praktischen
Probleme bietet sich dem Bundesgesetzgeber in Umsetzung des Koalitionsvertrages
daher nur die mittlere Säule des Bestandsmanagements an, die bislang unter dem
Fachbegriff der „Schutzjagd“ geführt wird. Diese durchaus mögliche aber
strittige Variante ergibt sich unter der Voraussetzung, dass für eine
Bestandsbeeinflussung des Wolfes das mildeste Mittel versucht aber nicht
zielführend angewendet werden konnte (Eskalationsstufen der eingesetzten
Mittel) und von den getroffenen Maßnahmen keine negativen Auswirkung auf den
Erhaltungszustand der Wolfspopulation ausgeht. Diese Möglichkeit des
Bestandsmanagements für Wolfsbestände wird bereits von den skandinavischen
Ländern angewandt und sollte auch für den Bundesgesetzgeber im Fokus der
Betrachtung stehen. Eine praktische Umsetzung der Formulierung im Koalitionsvertrag
kann nur dann gelingen, wenn der Bundesgesetzgeber die Umsetzung der FFH-Richtlinie
in die nationale Gesetzgebung im Bundesnaturschutzgesetz nachjustiert. Darin
liegt der rechtliche Anspruch begründet, wenn zukünftig die Akzeptanz für den
Wolf weiter erhalten bleiben soll.
Für die fachlich praktische Herangehensweise an die
Bestandssteuerung im Rahmen des „Schutzjagdansatzes“ wird es zukünftig
unumgänglich notwendig sein, dass sich die Bundesrepublik Deutschland (hierin
umgesetzt und übertragen auf einzelne Bundesländer) auf einen sogenannten „Nationalen
Akzeptanzbestand“ des Wolfes für Deutschland einigt. Unter einem „Akzeptanzbestand“
versteht man denjenigen nationalen Wolfsbestand, der einen Beitrag zum
günstigen Erhaltungszustand der europäischen Wolfspopulation leistet und dessen
Schadenssituation vollumfänglich volkswirtschaftlich durch Rechtsanspruch für
die Geschädigten in einem „Wildtierschadensausgleichsgesetz (WildSchadAusgG)“ abgesichert
ist.
Abbildung 3:
Darstellung eines Ansatzes für die Definition eines „nationalen
Akzeptanzbestandes“ und der Möglichkeiten
für dessen aktives Management
Eine zielführende und konfliktminimierende Herangehensweise kann nach Auffassung der Verbände in Brandenburg nur über einen solchen klar definierten Ansatz erreicht werden. Auf Basis eines definierten Akzeptanzbestandes wird es zukünftig möglich werden, sogenannte verhaltensauffällige Wölfe nach den bereits heute schon rechtlichen Möglichkeiten zu entnehmen und alle diejenigen Wölfe, die durch natürlichen Zuwachs oberhalb des Akzeptanzbestandes entstehen, zukünftig mit den Mitteln der Schutzjagd aktiv zu managen. Mit Übernahme des Wolfes in den Anhang V der FFH-Richtlinie wird dieser Schutzjagdansatz perspektivisch in eine reguläre Bejagung im Rahmen des bewährten deutschen Jagdrechts übergehen müssen.
Aus den Erfahrungen im Bundesland Brandenburg ist zudem zu
empfehlen, dass sich die Bundesrepublik zukünftig der Herausforderung einer wildökologischen
Raumplanung auch für den nationalen Wolfsbestand stellt. Dabei sind insgesamt
drei sogenannte Wolfsareale zu definieren und auszuweisen, für die folgende
Einstufung vorgeschlagen wird:
A) Wolfsschutzareale:
Große zusammenhängende Landschaftskomplexe (z.B. große Waldgebiete, Truppenübungsplätze, Bergbaufolgelandschaften oder große Schutzgebiete mit einer eher geringeren menschlichen Besiedlung und keiner intensiven Weidetierhaltung).
B) Wolfsmanagementareale:
Perspektivisch der deutlich größte Anteil möglicher Wolfslebensräume. Hier können Wolfsbestände grundsätzlich toleriert werden, müssen mit dem Instrumentarium des Schutzjagdansatzes bei Festlegung der im jeweiligen Bundesland geltenden Akzeptanzgrenze jedoch in ihrem Bestand gemanagt werden.
C) Wolfsproblemareale:
Alle jene Landschaftsbestandteile, in denen das Vorhandensein von Wölfen, insbesondere aus dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr heraus, nicht toleriert werden kann (z.B. alle urban geprägten Bereiche sowie der unmittelbare Siedlungsbereich um Wohnbebauungen im ländlichen Raum). Auch solche Gebiete, in denen entweder eine intensive Weidetierhaltung mit großem Konfliktpotenzial zum Wolf betrieben wird oder Landschaftsbestandteile, in denen es nicht möglich ist, eine Koexistenz zwischen Wölfen und extensiver Weidewirtschaft zu gestalten (z.B. Deiche, Almen).
Die im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Bundesregierung
geforderte Definition von geeigneten Kriterien für die letale Entnahme sind
nach den Erfahrungen aus Brandenburg an diesem Arealkonzept zu orientieren.
„Alte Wölfe und neue Märchen – Erfahrungen aus Brandenburg!“
von Gregor Beyer, Eberswalde
Der nachfolgende Text stellt die Verschriftlichung von verschiedenen in Bayern und Baden-Württemberg Anfang des Jahres 2018 gehaltenen Vorträgen dar, anlässlich derer sich der Verfasser mit den Erfahrungen der Wiederetablierung des Wolfsbestandes in Brandenburg auseinandergesetzt hat. Auf die Folien und Grafiken zum Vortrag wird am Ende des Textes als Downloadlink verwiesen.
Brandenburg ist Wolfsland! Wenngleich die flächige Wiederbesiedlung unseres Landes mit dem Wolf zunächst in der Region um das sächsisch-brandenburgische Grenzgebiet seinen Ausgang nahm und in den ersten Jahren insbesondere das Bundesland Sachsen im Fokus stand, so können wir mittlerweile feststellen, dass wohl Brandenburg das erste deutsche Bundesland sein wird, in welchem diese Tiere wieder vollständig heimisch werden oder schon geworden sind. Insofern ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass in keinem anderen Bundesland die damit unweigerlich verbundene Auseinandersetzung zwischen verschiedenen betroffenen Interessengruppen zwischenzeitlich mit einer teils beängstigenden Schärfe geführt wird.
Jüngstes Beispiel dafür war das im Zuge des brandenburgischen Wolfsmanagements Ende des Jahres 2017 abgehaltene große Wolfsplenum, bei dem alle gesellschaftlich relevanten Gruppen an einem Tisch zusammenkamen und bei dem sich schlussendlich annähernd tumultartige Szenen abspielten. Gleichwohl, obwohl sich die Ursachen für das Scheitern dieser Veranstaltung insbesondere in der mangelnden Vorbereitung der verantwortlichen verwaltungsseitigen Akteure und insbesondere in einem gänzlichen Versagen des Moderators der Veranstaltung lagen, so sind dennoch einige tiefer liegende Ursachen in langjährigen Fehlentwicklungen in der Wolfsdebatte insgesamt zu suchen. Die folgenden Ausführungen sind daher als der ausdrücklich unwissenschaftliche, weitgehend emotionslose aber dennoch gesellschaftspolitisch unterlegte Versuch zu verstehen, einige Erfahrungen aus Brandenburg zu schildern und dabei im besten Fall einen Beitrag zur Versachlichung der Debatte zu leisten.
Wissen statt Märchen
Das Credo jedes erfolgversprechenden Wildtiermanagements lautet: „Wissen statt Märchen!“
Wollte man die Erfahrungen aus dem Bundesland Brandenburg in Sachen Wolfsmanagement auf einen essenziellen Satz zusammenführen, so müsste man festhalten, dass „Wildtiere die Akzeptanz derer besitzen müssen, die von ihnen betroffen sind“. Gleichsam sollte man ergänzen, dass insbesondere die Akzeptanz bei jenen vorhanden sein muss, die von diesen Wildtieren wirtschaftlich besonders betroffen sind. Diese Feststellung kann gewissermaßen als das Credo eines jeglichen erfolgversprechenden Wildtiermanagements bezeichnet werden und trifft auf jede in der Kulturlandschaft lebende Wildart zu. Es ist dabei gänzlich unerheblich, ob es sich um Wölfe, um Rotwild, um Kormorane, um Biber oder um eine der anderen oftmals als Problemtierarten bezeichneten Gruppen handelt. Wer sich der Übung unterzieht und dies berücksichtigen möchte, der ist gut beraten, wenn er dabei in Inhalt und Kommunikation den daraus entstehenden Grundsatz beachtet: „Wissen statt Märchen!“
Dies ist deshalb so essenziell, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass jedes einzelne unter Umständen auch aus lauteren Motiven erzählte Märchen über eine Wildtierart die Atmosphäre zwischen Akteursgruppen und deren Debatte spätestens dann auf Jahre hinaus vergiftet, wenn das Märchen auf die Wirklichkeit trifft und die Wildtiere dabei selbst offenbaren, dass die Versprechungen, die mit den Märchen einhergingen, nicht zu halten sind. Genau dieser Umstand des Arbeitens mit einer ganzen Reihe von Märchen über Wölfe und deren Verhalten ist in Brandenburg bis heute die innere Ursache für vielfältige Auseinandersetzungen und eine geradezu vergiftete Atmosphäre. Das Schwierige am Wirken dieser Märchen ist es, dass sie zurückzuholen, ein gigantischer und langwieriger Kraftakt ist, den man sich durch Unterlassung von „Märchenerzählerei“ vom ersten Tage an besser ersparen sollte.
Wölfe -ausgerottet in Deutschland?
Exemplarisch für die vielen in Brandenburg erzählten Märchen um die Wölfe und deren Rückkehr sollen nachfolgend drei aufgegriffen werden. Beim ersten Märchen handelt es sich in gewisser Weise um ein Doppelmärchen, welches insbesondere im politisch-rechtlichen Kontext des Schutzstatus der Wölfe von erheblicher Bedeutung ist. Es lautet in jeweils unterschiedlichen sprachlichen Ausprägungen, dass „der Wolf in Deutschland ausgerottet gewesen wäre“ und dass es sich bei ihm um eine sogenannte „gefährdete Art“ handele. Weder die eine noch die andere These ist bei objektiver und nüchterner Betrachtung richtig. Denn wenn man unterstellt, dass die drei neuen Bundesländer Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern 40 Jahre lang nicht zum Staatsgebiet der Bundesrepublik gehörten, so doch aber immer zu Deutschland, so ist es eine zumindest im sprachlichen Kontext fragwürdige These, von einer Ausrottung der Wölfe in Deutschland zu sprechen. Richtig ist, dass ununterbrochen seit der letzten Eiszeit mindestens im Gebiet dieser heutigen drei Bundesländer Wölfe anwesend waren. Es bedarf lediglich eines Blickes in die Jagdstatistik der ehemaligen DDR, um zu erkennen, dass jeder dort auftretende Wolf bis zum Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes zum 01.04.1992 geschossen wurde. Dies führte dazu, dass sich Wölfe in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr in diesen Regionen Deutschlands reproduzieren konnten und somit auch keine Rudelstrukturen aufgebaut haben.
Man mag sich darüber streiten, wie das Wort „ausgerottet“ im Kontext einer wissenschaftlichen, juristischen oder politischen Befassung exakt auszulegen ist. Gleichwohl ist diese Feststellung für ein praktisches Wolfsmanagement aus insbesondere zwei Gesichtspunkten heraus immanent wichtig. Denn erstens stand in Deutschland immer die Frage im Raum, wie wir mit den Wölfen umgehen. Dass man in der DDR in gewisser Weise das einfachste denkbare Wolfsmanagement betrieben hat, in dem jedes einzelne Tier geschossen wurde, ist alleine deshalb schon einer Betrachtung wert, weil ein solcher Ansatz heute nicht mehr Gegenstand des Umgangs mit Wölfen sein kann und darf. Ob es allerdings nur deshalb schon richtig ist, heute grundsätzlich keinen Wolf mehr zu schießen, weil man früher grundsätzlich jeden geschossen hat, ist eine lohnende Frage. Geht man dieser nach, so drängt sich einem unweigerlich der Eindruck auf, dass es sich bei einem solchen Ansatz um das leider sehr deutsche Phänomen handelt, von einem Extrem ins andere zu verfallen und sich damit selbst den Blick auf einen möglicherweise anzustrebenden Mittelweg zu verstellen. Zweitens ist diese Frage aber auch deshalb interessant, weil es keinen Zweifel geben kann, dass die nach Deutschland einwandernden und weiterwandernden Wölfe einer gesunden Populationsdynamik unterliegen, deren Gesamtpopulation sich offenbar in einem „günstigen Erhaltungszustand“ befinden muss. Wäre dies nämlich nicht so, so hätte es in den vergangenen Jahrzehnten nicht ununterbrochen einen Zuzug insbesondere junger Wolfsindividuen gegeben, die ihren Ursprung in einer derartigen Population, wo immer sich diese auch befinden mag, haben muss.
Wölfe -gefährdete Art in Europa?
Die meisten Verbreitungskarten zum Wolf widersprechen sich mit teils diametral abweichenden Bestandsangaben und jeweils an Verwaltungsgrenzen orientierten Vorkommensarealen.
Die vorgenannten Fragen werfen den Blick auf die zweite These des Doppelmärchens, wonach der Wolf in Europa eine gefährdete Art sei. Die Aussage, dass eine Tierart gefährdet ist, zieht automatisch die beiden entscheidenden Fragen nach sich, um welche Population dieser Tierart es sich handelt und wo diese Population genau angesiedelt ist. In gewisser Weise ist also die Frage zu stellen, auf Basis welcher räumlichen und zeitlichen Situation dieser Gefährdungsgrad eingeschätzt wurde? Wenn man dieser Frage für die europäischen Wölfe nachgeht, so stößt man in Veröffentlichungen und natürlich auch im Internet auf eine geradezu gigantische Fülle verschiedener Karten, die die sogenannten „europäischen Wolfspopulationen“ abbilden. Das Interessante an diesen Karten sind insbesondere die diversen Widersprüche, die sich offenbaren, wenn man Karten dieser Art nebeneinanderlegt. So weist beispielsweise eine Karte [1] der „Stiftung Europäisches Naturerbe (EuroNatur)“ aus dem Jahr 2011 insgesamt sieben europäische Wolfspopulationen aus, von denen die größte die „karelisch-baltische Population“ mit rund 4.300 Individuen sein soll. Legt man neben diese eine Verbreitungsgebietskarte [2] des WWF Deutschland aus dem Jahre 2014, so stellt man verwundert fest, dass aus der „karelisch-baltische Population“ eine „karelische Population“ mit rund 150 Tieren und eine „baltische Population“ mit rund 1.000 Tieren geworden ist. Was genau dazu geführt hat, dass diese innerhalb weniger Jahre auseinandergefallen ist, bleibt das Geheimnis des Erstellers der Karte. Gleichwohl lüftet sich aus der Darstellung aber das Geheimnis, warum in der Summierung der beiden nunmehr eigenständigen Populationen im Rahmen eines gigantischen Schrumpfens die vormals 4.300 Wölfe umfassende „karelisch-baltische Population“ in der Addition nun deutlich weniger als 2.000 Individuen umfasst. Dies erklärt sich schlichtweg daraus, dass auf der Karte die politische „EU-Außengrenze“ nun zu einer Populationsgrenze wird und alle hinter diesem eisernen Vorhang lebenden Wölfe nicht mehr in die Betrachtung einbezogen werden. Man darf solcherlei Darstellungen wohl als „populationsbiologisch-politische Taschenspielertricks“ bezeichnen!
Ohne diese hochinteressanten Aspekte weiter vertiefen zu wollen, lassen sich mit Sicherheit drei Dinge festhalten [3]:
Die sogenannten europäischen Wolfspopulationen sind nahezu willkürlich und offenbar aus politischen Erwägungen heraus festgelegt. Dabei werden einfach reine Verwaltungsgrenzen zu Populationsgrenzen oder vormals zusammenhängende Betrachtungen werden ganz nach politischer Opportunität getrennt.
Dabei wird ganz offenbar der zweifelsfrei vorhandene Genaustausch zwischen den verschiedenen Populationen nicht berücksichtigt und damit unterstellt, als würde es sich bei den verschiedenen auftretenden Wolfsvorkommen um jeweils isolierte Populationen handeln, die jeweils für sich genommen eine wie auch immer zu definierende Anzahl von Individuen erreichten müssten, bevor sie als im Erhaltungszustand gesichert gelten könnten. Dass dabei in der politischen Auseinandersetzung immer eine Zahl von 1.000 Tieren genannt wird, ist nebenbei übrigens ein weiteres „Schmankerl der Debatte“, da diese Zahl vor vielen Jahren für Schalenwildarten diskutiert wurde und es zumindest überaus fraglich ist, ob eine solche Zahl als Grundlage für die Beurteilung von Wolfspopulationen geeignet ist.
Noch wichtiger ist der Umstand, dass in der politischen Debatte grundsätzlich die beiden zu trennenden Begriffe „Bestand“ und „Population“ durcheinandergeschmissen werden und jeweils so Anwendung finden, wie es dem entsprechenden Personenkreis gerade in die politische Argumentation passt.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass es sich beim Wolf in Europa mit Sicherheit um keine gefährdete Art handelt, sondern dass die Debatte viel eher die Frage in den Raum wirft, ob nicht der menschliche Verstand als gefährdet zu betrachten ist.
Der Wolf -das scheue Tier?
Empfehlungen aus anderen Ländern -hier aus Alaska- zum Verhalten in Wolfsgebieten sind oftmals deutlich realistischer als weitgehend „schöngefärbte“ Publikationen aus Deutschland.
Das zweite in Brandenburg ursprünglich weit verbreitete Märchen, das die Debatte bis zum heutigen Tag belastet, war die Aussage, dass der Wolf ein scheues Tier sei, das man nie sehe. Mit dem exponentiell anwachsenden Bestand an Wölfen zeigte sich jedoch recht schnell, dass der Wolf insbesondere auch in den Ortslagen durchaus ein sichtbares Tier ist. So ist es mittlerweile in Brandenburg alles andere als eine Seltenheit, dass Wölfe mitten in den Ortslagen von Dörfern Schafe oder Ziegen reißen und durchaus auch in menschlicher Nähe sichtbar sind. Dabei machen übrigens auch jahrelange Erfahrungen aus jenen Ländern, in denen Wölfe schon immer und durchgängig vorgekommen sind, deutlich, dass es sich dabei um alles andere als ein außergewöhnliches Phänomen handelt. So gibt beispielsweise das „Alaska Department of Fisch & Game“, institutionell vergleichbar als das Umweltministerium des US-amerikanischen Staates Alaska, in einer hochinformativen Informationsbroschüre [4] eine ganze Reihe von Empfehlungen, die für sich genommen deutlich machen, dass man in Gebieten, in denen Wölfe leben, eben auch mit der Anwesenheit dieser Wölfe rechnen muss und dass das Aufeinandertreffen von Menschen und Wolf zu Verhaltensänderungen der Menschen führen muss.
Letzten Endes kann man es auf die sehr einfache Formel bringen, dass der Wolf nur so lange scheu ist, wie er bejagt wird. Solange Wölfe nicht bejagt werden, sehen sie Menschen nicht als Gefahr an und entsprechen eher dem, was man gerne mit dem Begriff des sogenannten „Kulturfolgers“ belegt hat. Dass diese Sichtbarkeit von Wölfen sehr schnell zu einem Problem werden kann, hat sich in Brandenburg anhand des ersten „Problemwolfes“ gezeigt. Dieses Tier schlich Ende 2017 mehrere Tage im Vorgarten einer Kindertagesstätte im brandenburgischen Rathenow umher und war der erste Wolf, für den eine staatliche „Vergrämungs- und Abschussgenehmigung“ erteilt wurde. Problematisch bezüglich dieser Tiere ist vor allem der Begriff des „Problemwolfes“ selbst. Brandenburger Erfahrungen machen deutlich, dass der Umstand, ob ein Wolf zu einem Problem wird, lediglich eine Frage von Ort, Zeit und Gelegenheit ist. Der Terminus Problemwolf ist vor allem ein menschliches Konstrukt, das dem Wunsch entspringt, Wölfe in die beiden Schubladen „gute Wölfe“ und „Problemwölfe“ einordnen zu wollen. Langfristig wird ein solcher Ansatz in die Irre führen und hat in Brandenburg mittlerweile zu der Erkenntnis beigetragen, dass Wölfe an falschen Orten eher als „Lupus non Gratus“ bezeichnet werden sollten. Die Idee, die dahintersteht, ist weniger die auf sogenanntes „problematisches Wolfsverhalten“ abzustellen, bei dem es sich meist um völlig normales Verhalten eines Raubtieres handelt, sondern vielmehr Orte festzulegen, an denen Wölfe grundsätzlich nichts zu suchen haben. In Zukunft wird dieser Aspekt im praktischen Wolfsmanagement einen voraussichtlich breiten Raum einnehmen müssen.
Der Wolf ist auch nur ein fauler Hund!
Eine Mutterkuh im Landkreis Potsdam-Mittelmark mit verlorenem Kalb. An den Verletzungen der Lauscher erkennt man, dass das Tier offenbar versucht hat sein Kalb gegen den Wolf zu verteidigen.
Beim dritten Märchen handelt sich um jenes, welches wie kein anderes bis zum heutigen Tag die Debatte, insbesondere zwischen Vertretern des Naturschutzes und Vertretern betroffener Landnutzergruppen, vergiftet hat. Es lautet in seiner einfachen und auf den Punkt gebrachten Form, dass sich der Wolf vorrangig an Wildtieren bediene, selten an Schafen, nie an Rindern und dass Pferde für ihn unerreichbar seien. Man kann dieses Märchen nach allen Brandenburger Erfahrungen mit der einfachen Formel, „der Wolf ist auch nur ein fauler Hund“, in das Reich der Mythen verweisen. Problematisch ist dieses Märchen vor allem deshalb, weil in keinem anderen Bereich die sich relativ schnell zeigenden Bilder so sehr dem widersprochen haben, was einige „Wolfsfreunde“ meinten in der Anfangszeit kommunizieren zu müssen. So ist mittlerweile das gesamte Spektrum der in Brandenburg vorkommenden Weidetiere in unterschiedlich starker Form vom Wolf betroffen. Und selbst über das Spektrum der Weidetierarten hinausgehend, gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Fällen, wo Wölfe Haushunde mindestens attackiert haben oder im Falle von Hunden im jagdlichen Einsatz diese nachgewiesen auch töteten.
Dieses Phänomen lässt sich zwischenzeitlich auch zweifelsfrei aus der „Nutztierrissstatistik“ des Landes Brandenburg ablesen, wobei die verschiedenen Zahlen ziemlich deutlich mit den jährlich zu erwartenden Zuwachsraten der Wolfsbestände von rund 30 v. H. des Vorjahresbestandes korrelieren. Wie von vielen Verantwortlichen ab Mitte der 90er Jahre vorausgesagt, wird die „Nutztierrissstatistik“ ab 2007 von Schafen begründet und von diesen eine lange Zeit dominiert. Zwischenzeitlich sind aber genauso die Rinderhalter betroffen und mittlerweile sind auch die ersten Risse von Pferden zu verzeichnen. Für die gesellschaftspolitische Debatte erschwerend ist dabei der Umstand, dass eine Reihe von Interessenvertretern die „Nutztierrissstatistik“ des Landes mit der „Wolfsschadensstatistik“ gleichsetzen. Auch dabei handelt es sich um ein die Debatte vergiftendes Märchen, da die „Nutztierrissstatistik“ aufgrund des Aufwandes für die Anerkennung eines Wolfsrisses eine extrem hohe Dunkelziffer aufweist, sie keinerlei Angaben über verschwundene Kälber enthält, die der Wolf nach dem Riss von der Koppel gezogen hat, Sekundärschäden, wie das mittlerweile deutlich zu beobachtende Absinken der Kälbergewichte oder aber auch die Frage der Jagdpachtwertminderung in keiner Weise berücksichtigt und zudem auch die sogenannten Tertiärschäden, d.h. insbesondere die Widersprüche, die sich aus dem Erstarken der Wolfsbestände mit anderweitigen Schutzzielen ergeben (z. B. Grünlandpflege), völlig unberücksichtigt lässt.
Der Wolfsmanagementplan in Brandenburg
Wolfsmanagementpläne sind richtig und wichtig. In der Praxis aber bislang leider oftmals ein reines politisches „Placebo-Papier“, das in Anlehnung an die wörtliche Übersetzung „gefallen will“, ohne zu wirken!
Allen diesen Problemen und Konfliktlagen hat man im Bundesland Brandenburg über lange Zeit versucht, mit einem sogenannten „Wolfsmanagementplan“ zu begegnen. Dabei kann Brandenburg durchaus stolz darauf sein, dass es mit dem im Dezember 1994 veröffentlichten Wolfsmanagementplan [5] das erste Werk dieser Art in einem deutschen Bundesland auf den Weg gebracht hat. In diesem ersten Wolfsmanagementplan hatten die damaligen Verfasser weitgehend minutiös vorausgesagt, wie sich die weitere Entwicklung im Bundesland Brandenburg nach endgültiger Einstellung der Bejagung der Wölfe ab 1992 vollziehen würde. Da es dann jedoch einiger Jahre bedurfte, bis sich insbesondere ab 2007 mit dem Reproduzieren dieser Tierarten die ersten Probleme zeigten, geriet der erste Wolfsmanagementplan des Landes schnell in Vergessenheit. Als die Probleme um die Jahrtausendwende anfingen immer offenbarer zu werden, besann man sich leider nicht auf den alten Managementplan, sondern gab in aller Hektik und Eile einen neuen „Managementplan für den Wolf in Brandenburg“ [6] in Auftrag. Dieser im Jahr 2013 in Kraft und mittlerweile zum Ende des vergangenen Jahres ohne Verlängerung außer Kraft getretene Managementplan war letzten Endes nichts anderes als ein rein politisches „Placebo-Papier“, das in Anlehnung an die wörtliche Übersetzung „gefallen wollte“, ohne zu wirken! Dem üblichen politischen Ansatz darin folgend, schrieb man in einem Kapitel acht sogenannte „weitergehende politische Forderungen“ zusammen, auf die man sich erst in der Folgezeit für nach 2017 einigen wollte. Genau genommen handelte sich dabei um alle jene strittigen Punkte, die mit dem Wiedererstarken des Wolfsbestandes dringend hätten geklärt sein müssen, zu denen man sich damals aber politisch nicht durchringen konnte und wollte. Nur machte der Wolf in der Folgezeit das, was des Wolfes Eigenart ist. Er ließ der Politik mit jährlich 30 % Bestandszuwachs die Zeit dafür nicht. Somit wurde der Wolfsmanagementplan selbst zum größten Problem für das Erstarken des Wolfsbestandes und verfehlte nicht nur seine Zielsetzung, sondern erwies sich selbst als Brandbeschleuniger für eine ganze Reihe von Konflikten.
Management ohne zu managen?
Man muss gelegentlich feststellen, dass alle über Wildtiermanagement reden und nur wenige die Frage beantworten können, was Management ist!
Diese Darstellung soll nicht den Eindruck erwecken, dass Wildtiermanagementpläne insgesamt kein sinnvolles Instrument für den Umgang mit Problemtierarten seien. Managementpläne folgen gemäß ihrer Herkunft dem angelsächsischen Ansatz und darin dem berühmten Zitat des Deutschamerikaners Aldo Leopold, wonach „das Management von Wildtieren nicht schwer sei, schwer sei das Management der Menschen, die von diesen Tieren betroffen sind“. Dieser Grundansatz der Herangehensweise war und ist auch für das Wolfsmanagement richtig und wichtig! Problematisch wird es allerdings, wenn er für sich genommen bereits als alleiniger Bestandteil eines Wildtiermanagements begriffen wird und das praktische Management, insbesondere bei Erstarken der Populationen auch das praktische Bestandsmanagement, unterbleibt. Ein solcher Ansatz konterkariert jegliches sinnvolles und wünschenswertes Wildtiermanagement, da sich das Fehlen des Bestandsmanagements von Tierarten in unseren Kulturlandschaften recht schnell und überdeutlich als zentrales Problem erweist (Wem dies nicht einleuchtend ist, der möge sich die politischen Verwerfungen ausmalen, die entstehen würden, wenn wir den deutschen Waldbesitzern morgen mitteilen, dass das praktische Bestandsmanagement von Rot- und Rehwild ab sofort unterbleibt und wir statt dessen auf „Beratungsmanagement“ umschwenken!). Dass die bestehenden Managementpläne dabei meist die Ausbreitung und Zunahme der Wolfsbestände tatenlos beobachten, ist insbesondere in der politischen Kommunikation mittlerweile eines der zentralen Probleme im Land Brandenburg. Dass sie darüberhinausgehend zudem noch versuchen, mit meist überaus bürokratischen Regelungen die Betroffenen zu beruhigen, erweist sich umso mehr als Bumerang, der den eigentlichen Ansatz konterkariert.
Im Übrigen zeigen die Erfahrungen aus Brandenburg, dass es lohnend ist, sich gelegentlich mit der Frage zu beschäftigen, was Management eigentlich ist. Wenn man dazu in einschlägige Lehrbücher schaut, wobei man vor dem Blick in ein Wildbiologielehrbuch gut beraten ist, zunächst ein Betriebswirtschaftslehrbuch zur Hand zu nehmen, dann stellt man fest, dass Fachleute „Management als die Summe aller Entscheidungen definieren, die wir treffen, um zuvor vereinbarte Ziele zu erreichen. Diese sehr banale Feststellung führt zu der Frage, ob man Wölfe oder beispielsweise auch Rotwild managen kann, wenn man sich nicht über ein Bestands- und/oder Schadensziel verständigt hat. Genau darin liegt nämlich der Hase im Pfeffer! Da sich bislang alle Wolfsmanagementpläne der Bundesrepublik der Frage einer Festlegung eines „Wolfsbestandszieles“ verweigern, sind sie von vornherein zum Scheitern verurteilt. Vielmehr noch erweist es sich als problematisch, dass das Fehlen von solchen klaren Zielen das an ein jedes sinnvolles Management anschließende Controlling unmöglich macht. Wer sich nicht auf Ziele verständigt hat, der kann weder die Maßnahmen festlegen, die zur Erreichung dieser Ziele notwendig sind, noch kann er in sinnvollen Zeitabständen überprüfen, ob die getroffenen Maßnahmen dem Erreichen der Ziele dienlich waren. In solch einem nebulösen und schwammigen Umfeld muss am Ende des Tages jedes Management der Spielball diverser Interessengruppen bleiben und dient nur jenen, die kein Interesse an einer Lösung der Konflikte haben.
Einzelbausteine sind keine Gesamtlösung
Bei dieser Gelegenheit sei aus brandenburgischer Sicht ergänzend dargelegt, dass einzelne Bausteine einer Lösung in der Regel noch nicht die Gesamtlösung sind. So ist es richtig und wichtig, dass auch in Zukunft das Thema der Weiterentwicklung von „Weidetiergattungen“ als Schutz gegen Wölfe, genauso wie das Thema der „Herdenschutzhunde“, im Fokus stehen muss. Alle Erfahrungen aus Brandenburg machen aber überdeutlich, dass es sich dabei um einzelne Bausteine einer Lösung und eben nicht um eine Gesamtlösung handelt. Eine Gesamtlösung kann darin liegen, dass neben diesen einzelnen von den Umweltverbänden protegierten Bausteinen auch die Frage in den Vordergrund rückt, wie viele Wölfe es dereinst für Brandenburg maximal sein dürfen. Dabei ist die Politik gut beraten, eine volkswirtschaftlich zu definierende Schwelle festzulegen, bis zu der bei einem verbindlichen Rechtsanspruch für die Geschädigten, die durch den Wolf verursachten Schäden im Landeshaushalt gegenfinanziert sind. Alles, was oberhalb dieser Schwelle liegt, muss über den Weg des „aktiven Bestandsmanagements“ der Wölfe reguliert werden. Ein gutes Wolfsmanagement stellt sich rechtzeitig und in einem großen -ausdrücklich alle gesellschaftlichen Gruppen umfassenden- partizipativen Prozess der Frage, wo genau die Bestandsgrenze für Wölfe liegen soll.
Wolfsverordnung und Schutzjagd
Die im Februar 2018 in Kraft getretene BbgWolfV ist ein erster Schritt, wird aber die dringend notwendigen Gesetzesänderungen der FFH-Richtlinie und des BNatSchG nicht ersetzen können.
Mittlerweile schlägt das Bundesland Brandenburg langsam einen zumindest realistischeren Weg ein, dessen Beschreiten durch die mangelhafte EU- und Bundesgesetzgebung jedoch erheblich erschwert wird. Neben der Erkenntnis, dass die bislang ausgebliebene Evaluierung des Wolfsmanagementplans in Brandenburg knappgehalten werden kann, da die Menschen für die Zukunft kein Papier, sondern verlässliche Maßnahmen erwarten, hat sich Brandenburg wiederum als erstes Bundesland der Übung unterzogen und zum Februar diesen Jahres eine Brandenburgische Wolfsverordnung (BbgWolfV) in Kraft gesetzt. Diese Verordnung fußt auf der Verordnungsermächtigung des § 45, Abs. 7 des Bundesnaturschutzgesetzes und hat zum Ziel, das bestehende Recht zusammenzufassen, es dabei für den Verwaltungsvollzug operativ zu vereinfachen und -durchaus kontrovers diskutiert- die Zuständigkeiten für die Entnahme von Wölfen von den Kreisen (Untere Naturschutzbehörden) auf das Land (Ministerium, bzw. Landesamt im Vollzug) zurück zu verlagern. Dies ist ein erster und auch durchaus lobenswerter Ansatz, um zumindest im Rahmen der gegenwärtig bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten zu ersten praktikablen Maßnahmen zu gelangen. Auf der Ebene der Brandenburgischen Wolfsverordnung ist es nunmehr möglich, dass Wölfe mit auffälligem bzw. mit problematischem oder gar aggressivem Verhalten nach einem in der Verordnung festgelegten Verfahren und im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Eskalationsstufen entweder gefangen, betäubt, vergrämt oder als Ultima Ratio durch Nachstellen getötet werden können.
Gleichwohl zeigt allein die Tatsache, dass es alles andere als einfach ist, für diesen Vorgang sogenannte beauftragte Personen zu finden, dass auch darin wohl nicht die schlussendliche Lösung des aktiven Wolfsmanagements liegen wird. Zwar begrüßen es die Verbände, dass bei der Beauftragung einer Person zunächst die im Gebiet zuständigen Jagdausübungsberechtigten gefragt werden müssen, schlussendlich aber nicht zur praktischen Entnahme gezwungen werden können. Gleichsam macht dieser Mechanismus auch das allgemeine Problem des praktischen Wolfsmanagements deutlich. Langfristig kann die Lösung nur darin liegen, den bewährten Rechtsrahmen des Deutschen Jagdrechtes zur Anwendung zu bringen und den Wolf als jagdbare Tierart ins Jagdrecht zu überführen. Nur in diesem Rechtskreis befindet sich der gebündelte Sachverstand und die praktische Möglichkeit, im Falle eines Falles sowohl Individuen mit problematischem örtlichen Verhalten zu entnehmen, als auch langfristig ein konsequentes Bestandsmanagement zu betreiben.
Inwieweit in Bezug auf die Weidetierhaltung der in der Brandenburgischen Wolfsverordnung geregelte Mindeststandard für zumutbare Schutzmaßnahmen für Weidetiere von Erfolg gekrönt sein wird, muss insbesondere die Praxis zeigen. Allerdings hat die Landesverwaltung nach einem ersten vorliegenden Antrag auf Entnahme eines Wolfsrudels durch dessen Ablehnung selbst die Grenzen dokumentiert, denen die Brandenburgische Wolfsverordnung durch geltendes Recht gesetzt sind oder im Vollzug gesetzt werden sollen. Daher kann es für die Zukunft keinen Zweifel geben, dass eine Überarbeitung der „FFH-Richtlinie“ und insbesondere eine Umstufung der Wolfspopulation von Anhang vier in Anhang fünf erfolgen muss. Langfristig wird eine Lösung dieser Probleme nur darin liegen, dass wir auch in Deutschland zur Einführung einer sogenannten „Schutzjagd“ nach skandinavischem Vorbild kommen. Die in Skandinavien betriebene Schutzjagd hat sich als schnelles und effektives Verfahren erwiesen, bei dem Probleme real gelöst werden und der Wolfsbestand insgesamt nicht nachteilig beeinträchtigt wird [7].
„Die Natur kennt weder Belohnung noch Strafe, sondern lediglich Konsequenzen!“
Die immer wieder gestellte Frage, wie viel Wölfe es dereinst für das Bundesland Brandenburg sein sollen, soll an dieser Stelle ausdrücklich nicht beantwortet werden. Eine solche Beantwortung kann nur in einem partizipativen Prozess zwischen allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen gelingen. Dass es jedoch aufgrund der jährlichen Zuwachsrate des Wolfsbestandes von 30 % einer schnellen Bearbeitung dieser Frage bedarf, zeigt allein der Umstand, dass Finnland den landesweiten Gesamtbestand der Wölfe auf 200 Tiere begrenzt, während in dem rund elf Mal kleineren Brandenburg dieser Bestand bereits heute deutlich überschritten ist.
Vom berühmten amerikanischen Freidenker Robert Green Ingersoll stammt der Satz: „Die Natur kennt weder Belohnung noch Strafe, sondern lediglich Konsequenzen!“ Es würde der Debatte um den Wolfsbestand in Brandenburg überaus gut tun, wenn sich die verschiedenen Akteure weniger mit den menschlichen Begriffen von „Belohnung und Strafe“ auseinandersetzen würden, sondern stattdessen in einer weitgehend emotionslosen Debatte die Konsequenzen in den Fokus stellen, die sich unweigerlich für ein Land ergeben, in dem Wölfe berechtigterweise existieren. Diese Übung hat Brandenburg noch vor sich!
Die Debatte um die sogenannten Problemtierarten gewinnt in den vergangenen Wochen deutlich an Fahrt. Die immer deutlicheren Widersprüche zwischen verschiedenen Schutzzielen führen zu einer interessanten Dynamik in Land, Bund und EU.
Es ist für die Fischer, Angler und Teichwirte seit vielen Jahren leidvolle Erfahrung, dass ehemals gefährdete Arten aufgrund ihres Wiedererstarkens zu erheblichen Beeinträchtigungen der Fischereiwirtschaft führen. Dieses Phänomen trifft insbesondere auf den Kormoran mit seinem direkten Einfluss auf die Fischbestände zu. Weitere Arten, wie beispielsweise der Biber oder der Silberreiher führen zu neuen und sich immer stärker potenzieren Problemen.
Wurden diese Probleme über Jahre hinweg von der Gesellschaft und der Politik oftmals einfach abge-tan, so sind nun auch weitere Landnutzer betroffen. Die Speerspitze dieser Entwicklung bilden momentan unsere Weitetierhalter, die durch das Wiedererstarken der Wolfspopulation in Brandenburg betroffen sind. Und es bedarf keiner prophetischen Begabung um sich auszumalen, dass mit Tierarten wie dem Elch oder in jüngster Zeit sogar dem Wisent die Frage im Raum steht, wann auch die Forst-wirtschaft von ähnlichen Problemen betroffen sein wird.
Da diese Probleme trotz Vorhandensein dieser Arten über viele Jahrhunderte hinweg beherrschbar waren und das Management dieser Arten zum selbstverständlichen Handwerkszeug der Landnutzer gehörte, können die Ursachen dafür weder im Bereich der nicht vorhandenen Mittel, noch im fehlenden Wissen der Landnutzer liegen. Es ist vielmehr einzig und allein der falsch justiert rechtliche Handlungs-rahmen, der die Landnutzer in ihren Möglichkeiten erheblich einschränkt, in Bezug auf viele Arten ge-radezu zur Untätigkeit verurteilt.
Ursächlich dafür sind die „FFH- und die Vogelschutzrichtlinie“, die so etwas wie das Grundgesetz des Naturschutzrechts darstellen. Diese Richtlinien gingen seinerzeit von der Grundannahme aus, dass sich „der Zustand der natürlichen Lebensräume und Arten im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten unaufhörlich verschlechtert“. Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, sehen sie die Schaffung eines Schutzgebietsnetzwerkes vor, in welchem die Lebensräume und die in ihnen lebenden Arten in einem „günstigen Erhaltungszustand“ gehalten werden sollten. Allerdings ordneten sie die Arten in annähernd unveränderliche Anhänge ein und band Änderung an einstimmige Ratsbeschlüsse. Mit dieser Scheinmöglichkeit der Veränderung des Schutzsatus hat die EU ein System geschaffen, gegen das die Planwirtschaft der ehemaligen DDR ein geradezu hochdynamischer marktwirtschaftlicher Ansatz war.
Dass die heutige Debatte eine solche Dynamik bekommt, hängt vor allem mit den immer deutlicher werdenden Widersprüchen zwischen verschiedenen Schutz- und Nutzungszielen und dem Unvermögen des Schutzsystems zusammen, auf den eigenen Erfolg und dadurch bedingte Veränderung in unseren Kulturlandschaften mit der notwendigen Schnelligkeit zu reagieren. Die Problemtierarten machen uns immer deutlicher, dass die von der Umweltseite gerne gepflegten Weltbilder sich spätestens bei der Konfrontation mit der Wirklichkeit in unseren Kulturlandschaften als Luftschlösser erweisen. So mag man den Gefährdungsgrad der Kormorane einschätzen wie man will, an ihrem erheblichen Einfluss auf ebenfalls geschützte Fischarten lässt sich langfristig nicht zweifeln.
Für die Öffentlichkeit noch deutlicher werden diese Widersprüche beim emotional diskutierten Thema der Wölfe, da diese zwischenzeitlich immer deutlicher die Existenz der Weidewirtschaft in unserem Land infrage stellen. Genau wie die Teichwirtschaft ist auch die Weidehaltung aber unabdingbare Voraussetzung für den Erhalt vieler ebenfalls unter Schutz stehender Arten und Lebensräume. Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass der maßgeblich durch den Landesfischereiverband mit organisierte Besuch des für Fischerei zuständigen EU-Kommissar, Karmenu Vella, auch zu einem intensiven Dialog auch unter Beteiligung von Ministerpräsident Dietmar Woidke geführt hat. In einem mehrseitigen Schreiben drang dieser im vergangenen Jahr darauf, gemeinsam konkrete Schritte zu unternehmen und so den notwendigen Artenschutz und die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Fischereibetriebe und Teichwirt-schaften unter einen Hut zu bringen. Das nunmehr vorliegende Antwortschreiben von Karmenu Vella geht ungewöhnlich umfangreich auf diese Anregung ein und schließt sich ihnen an.
Besonders erfreulich ist es, dass die Belange der Fischerei nun im Fokus einer Reihe von zukünftigen Vorhaben stehen sollen. Neben der Erarbeitung eines EU-weiten Managementansatzes für den Kormo-ran, soll ein intensiver Dialog über das Kormoranpopulationsmanagement auf biogeographischer Ebene angestoßen werden. In einem übergeordneten politischen Treffen sollen die Möglichkeiten einer rechtlich abgesicherten Entschädigungs- und Präventionspraxis geschaffen werden. Diese Aktivitäten korrespondieren erfreulicherweise auch mit vielfachen Initiativen sowohl auf der Bundes-, als auch auf der Landesebene. So ist die Überprüfung des Schutzstatuts verschiedener Tierarten Gegenstand mehrerer Befassungen im brandenburgischen Landtag. Ein durch die CDU-Fraktion vorangetriebener An-trag führt im Agrarausschuss des Landtages zur Befassung mit der Einführung einer sogenannten Schutzjagd auf Wölfe nach skandinavischem Vorbild. Alles dies zeigt deutlich, dass sich die bestehenden Widersprüche im FFH-Recht nicht mehr so einfach wegdiskutieren lassen.
Aktuellstes Beispiel dafür sind auch die Formulierungen im Koalitionsvertrag einer möglicherweise neuen Bundesregierung, wonach „die EU-Kommission auffordert wird, den Schutzstatus des Wolfes abhängig von seinem Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendigen Bestandsreduktion herbeiführen zu können“. Das genau dieser Ansatz noch dringlicher für die Arten Kormoran, Silberreiher und Biber ist, steht außer Zweifel.
Alles in allem zeigt sich deutlich, dass die Aktivitäten der Verbände in Brandenburg einen erheblichen Beitrag dazu leisten, dass diese seit vielen Jahren überfällige Diskussion jetzt auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene geführt wird und zum ersten Mal etwas Bewegung aufkommt. Um diesen Prozess aufrechtzuerhalten wird es auch weiterhin notwendig sein, dass die Verbände auf die intensive Unterstützung der von den Problemtierarten betroffenen Betriebe zurückgreifen können. Diesbezüglich geht ein herzlicher Dank sowohl an die Mitglieder des Landesfischereiverbandes Brandenburg, als auch an die vielen Angelvereine, die das Forum Natur im vergangenen Jahr nicht zuletzt durch ihre Beiträge und durch zahlreiche Spenden unterstützt haben.
Der Beitrag von Gregor Beyer ist erstmalig im „Märkischen Fischer“, Ausgabe 64 | April bis Juni 2018, erschienen.
Die Debatte um die sogenannten Problemtierarten gewinnt in den vergangenen Wochen deutlich an Fahrt. Die immer deutlicheren Widersprüche zwischen verschiedenen Schutzzielen führen zu einer interessanten Dynamik in Land, Bund und EU.
Es ist für die Fischer, Angler und Teichwirte seit vielen Jahren leidvolle Erfahrung, dass ehemals gefährdete Arten aufgrund ihres Wiedererstarkens zu erheblichen Beeinträchtigungen der Fischereiwirtschaft führen. Dieses Phänomen trifft insbesondere auf den Kormoran mit seinem direkten Einfluss auf die Fischbestände zu. Weitere Arten, wie beispielsweise der Biber oder der Silberreiher führen zu neuen und sich immer stärker potenzieren Problemen.
Wurden diese Probleme über Jahre hinweg von der Gesellschaft und der Politik oftmals einfach abge-tan, so sind nun auch weitere Landnutzer betroffen. Die Speerspitze dieser Entwicklung bilden momentan unsere Weitetierhalter, die durch das Wiedererstarken der Wolfspopulation in Brandenburg betroffen sind. Und es bedarf keiner prophetischen Begabung um sich auszumalen, dass mit Tierarten wie dem Elch oder in jüngster Zeit sogar dem Wisent die Frage im Raum steht, wann auch die Forst-wirtschaft von ähnlichen Problemen betroffen sein wird.
Da diese Probleme trotz Vorhandensein dieser Arten über viele Jahrhunderte hinweg beherrschbar waren und das Management dieser Arten zum selbstverständlichen Handwerkszeug der Landnutzer gehörte, können die Ursachen dafür weder im Bereich der nicht vorhandenen Mittel, noch im fehlenden Wissen der Landnutzer liegen. Es ist vielmehr einzig und allein der falsch justiert rechtliche Handlungs-rahmen, der die Landnutzer in ihren Möglichkeiten erheblich einschränkt, in Bezug auf viele Arten ge-radezu zur Untätigkeit verurteilt.
Ursächlich dafür sind die „FFH- und die Vogelschutzrichtlinie“, die so etwas wie das Grundgesetz des Naturschutzrechts darstellen. Diese Richtlinien gingen seinerzeit von der Grundannahme aus, dass sich „der Zustand der natürlichen Lebensräume und Arten im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten unaufhörlich verschlechtert“. Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, sehen sie die Schaffung eines Schutzgebietsnetzwerkes vor, in welchem die Lebensräume und die in ihnen lebenden Arten in einem „günstigen Erhaltungszustand“ gehalten werden sollten. Allerdings ordneten sie die Arten in annähernd unveränderliche Anhänge ein und band Änderung an einstimmige Ratsbeschlüsse. Mit dieser Scheinmöglichkeit der Veränderung des Schutzsatus hat die EU ein System geschaffen, gegen das die Planwirtschaft der ehemaligen DDR ein geradezu hochdynamischer marktwirtschaftlicher Ansatz war.
Dass die heutige Debatte eine solche Dynamik bekommt, hängt vor allem mit den immer deutlicher werdenden Widersprüchen zwischen verschiedenen Schutz- und Nutzungszielen und dem Unvermögen des Schutzsystems zusammen, auf den eigenen Erfolg und dadurch bedingte Veränderung in unseren Kulturlandschaften mit der notwendigen Schnelligkeit zu reagieren. Die Problemtierarten machen uns immer deutlicher, dass die von der Umweltseite gerne gepflegten Weltbilder sich spätestens bei der Konfrontation mit der Wirklichkeit in unseren Kulturlandschaften als Luftschlösser erweisen. So mag man den Gefährdungsgrad der Kormorane einschätzen wie man will, an ihrem erheblichen Einfluss auf ebenfalls geschützte Fischarten lässt sich langfristig nicht zweifeln.
Für die Öffentlichkeit noch deutlicher werden diese Widersprüche beim emotional diskutierten Thema der Wölfe, da diese zwischenzeitlich immer deutlicher die Existenz der Weidewirtschaft in unserem Land infrage stellen. Genau wie die Teichwirtschaft ist auch die Weidehaltung aber unabdingbare Voraussetzung für den Erhalt vieler ebenfalls unter Schutz stehender Arten und Lebensräume. Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass der maßgeblich durch den Landesfischereiverband mit organisierte Besuch des für Fischerei zuständigen EU-Kommissar, Karmenu Vella, auch zu einem intensiven Dialog auch unter Beteiligung von Ministerpräsident Dietmar Woidke geführt hat. In einem mehrseitigen Schreiben drang dieser im vergangenen Jahr darauf, gemeinsam konkrete Schritte zu unternehmen und so den notwendigen Artenschutz und die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Fischereibetriebe und Teichwirt-schaften unter einen Hut zu bringen. Das nunmehr vorliegende Antwortschreiben von Karmenu Vella geht ungewöhnlich umfangreich auf diese Anregung ein und schließt sich ihnen an.
Besonders erfreulich ist es, dass die Belange der Fischerei nun im Fokus einer Reihe von zukünftigen Vorhaben stehen sollen. Neben der Erarbeitung eines EU-weiten Managementansatzes für den Kormo-ran, soll ein intensiver Dialog über das Kormoranpopulationsmanagement auf biogeographischer Ebene angestoßen werden. In einem übergeordneten politischen Treffen sollen die Möglichkeiten einer rechtlich abgesicherten Entschädigungs- und Präventionspraxis geschaffen werden. Diese Aktivitäten korrespondieren erfreulicherweise auch mit vielfachen Initiativen sowohl auf der Bundes-, als auch auf der Landesebene. So ist die Überprüfung des Schutzstatuts verschiedener Tierarten Gegenstand mehrerer Befassungen im brandenburgischen Landtag. Ein durch die CDU-Fraktion vorangetriebener An-trag führt im Agrarausschuss des Landtages zur Befassung mit der Einführung einer sogenannten Schutzjagd auf Wölfe nach skandinavischem Vorbild. Alles dies zeigt deutlich, dass sich die bestehenden Widersprüche im FFH-Recht nicht mehr so einfach wegdiskutieren lassen.
Aktuellstes Beispiel dafür sind auch die Formulierungen im Koalitionsvertrag einer möglicherweise neuen Bundesregierung, wonach „die EU-Kommission auffordert wird, den Schutzstatus des Wolfes abhängig von seinem Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendigen Bestandsreduktion herbeiführen zu können“. Das genau dieser Ansatz noch dringlicher für die Arten Kormoran, Silberreiher und Biber ist, steht außer Zweifel.
Alles in allem zeigt sich deutlich, dass die Aktivitäten der Verbände in Brandenburg einen erheblichen Beitrag dazu leisten, dass diese seit vielen Jahren überfällige Diskussion jetzt auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene geführt wird und zum ersten Mal etwas Bewegung aufkommt. Um diesen Prozess aufrechtzuerhalten wird es auch weiterhin notwendig sein, dass die Verbände auf die intensive Unterstützung der von den Problemtierarten betroffenen Betriebe zurückgreifen können. Diesbezüglich geht ein herzlicher Dank sowohl an die Mitglieder des Landesfischereiverbandes Brandenburg, als auch an die vielen Angelvereine, die das Forum Natur im vergangenen Jahr nicht zuletzt durch ihre Beiträge und durch zahlreiche Spenden unterstützt haben.
Der Beitrag von Gregor Beyer ist erstmalig im „Märkischen Fischer“, Ausgabe 64 | April bis Juni 2018, erschienen.