18 Dez, 2019 | Artikel, Interview
Gregor Beyer war als Mitglied im Verhandlungsteam der CDU an der Erarbeitung des Koalitionsvertrages im Kapitel „Landnutzungs- und Umweltpolitik“ beteiligt. Mit ihm sprachen Anja Semmele, Chefredakteurin „Wir Jäger“, und Marcel Weichenahn, ihr Kollege des „Märkischen Angler“, über seine Einschätzung zu den Ergebnissen und zu den Herausforderungen, die auf die Landnutzer nun zukommen.
Das Interview ist zuletzt gekürzt in der Ausgabe 70, Januar bis März 2020, des Märkischen Fischer erschienen. Nachfolgend wird die ungekürzte Fassung wiedergegeben.
Weichenhan: Gregor, du warst im Verhandlungsteam der CDU an der Aushandlung des Koalitionsvertrages in der Arbeitsgruppe beteiligt, die die Agrar- und Umweltpolitik verhandelt hat. Wie ist es dazugekommen?
Beyer: Das ist ganz einfach! Mich hat der Fraktionsvorsitzende der CDU angerufen und mich gefragt, ob ich Interesse daran hätte mich bei diesen Fachthemen einzubringen. Das habe ich spontan zugesagt, denn der Koalitionsvertrag ist die Arbeitsgrundlage der Landesregierung für die nächsten fünf Jahre und die Herausforderungen im Bereich der Landnutzungs- und Umweltpolitik sind nun wahrlich groß; nicht zuletzt nach den vergangenen Jahren, die nicht gerade zu den politisch dynamischsten in der Umweltpolitik gehört haben.
Semmele: War das für ein „Nicht-CDU-Mitglied“ nicht eine ungewöhnliche Erfahrung?
Beyer: Nun ja, es ist vielleicht nicht das gängigste Verfahren. Ich empfand jedoch den Ansatz der CDU, fachlichen Sachverstand ganz unabhängig vom parteipolitischen Hintergrund bei einem Regierungsprogramm in den Fokus zu stellen, als überaus zukunftsorientiert. Zudem habe ich es als Signal an die Landnutzer empfunden, dass unsere Expertise zählt; das ist gegenwärtig im politischen Umfeld ja nicht immer der Fall. Eine kleine Schrecksekunde gab es jedoch in der Tat in dem Moment, als ich bei der ersten Sitzung meinen und den Namen des Verhandlungsteams in die Anwesenheitsliste eintragen musste. In der Spalte der Parteizugehörigkeit ist in letzter Sekunde aus dem geraden Strich des „F“ dann doch noch ein rundes „C“ geworden.
Weichenhan: Es gab auch Gerüchte über einen bevorstehenden Parteiwechsel?
Beyer: Gerüchte über einen bevorstehenden Parteiwechsel gab es in meiner politischen Laufbahn nun mittlerweile schon in drei verschiedene Richtungen, meines Wissens jedoch noch nie in Richtungen, die mich beunruhigen müssten. Insofern lohnt eine Erörterung dazu nicht, für einen freien und unabhängigen Geist schon gleich gar nicht!
Semmele: Das Verfahren mit unterschiedlichen Arbeitsgruppen und einer Hauptverhandlungsgruppe zum Koalitionsvertrag zu kommen war für das Land Brandenburg ein Novum?
Beyer: Ja das ist richtig! Es gibt ja nun auch ein Dreierbündnis. Das hat ein aufwändiges Verfahren mit Facharbeitsgruppen notwendig gemacht und ist demokratisch sicherlich auch besser als ein „Küchenkabinett“, das in kleiner Runde einsame Entscheidungen trifft. Gleichwohl ist es an der ein oder anderen Stelle schade, dass nicht jeder Kompromiss der Fachpolitiker von der Hauptverhandlungsgruppe, so wie ursprünglich verhandelt, übernommen wurde. Dennoch glaube ich, dass das ein gutes Verfahren war.
Weichenhan: Woran hat es gelegen, dass sich Kompromisse aus der Agrarumweltgruppe nicht eins zu eins im Koalitionsvertrag wiederfinden
Beyer: Dafür sind zwei Gründe ursächlich. Zum einen war es der Auftrag der Facharbeitsgruppe, ein ungefähr achtseitiges Papier zu verhandeln. Leider ist ein Verhandlungspartner mit einem rund 60-seitigen Papier gestartet, wären ein anderer mit einem fast erschreckenden kurzen Themenkonvolut ins Rennen gegangen ist. Das hat am Ende zu einem 20-seitigen Papier der Facharbeitsgruppe geführt, das die Hauptverhandlungsgruppe allein schon des Umfangs wegen kürzen musste. Taktisch war das einfach eine Dummheit, die sich die Facharbeitsgruppe selbst zuschreiben muss. Zum anderen ist es ganz natürlich, dass eine Hauptverhandlungsgruppe am Ende die zugelieferte Verhandlungsmasse zu einem Gesamtkompromiss verdichten muss.
Semmele: Wie bewertest Du insgesamt den Koalitionsvertrag als Grundlage für die nächsten fünf Jahre!
Beyer: Als Mitglied im Verhandlungsteam misst man das natürlich auch an dem Wissen, welche Forderungen anfänglich alle auf dem Tisch gelegen haben. Daran gemessen kann sich das Endergebnis sehen lassen und ist eine gute Grundlage, mit der Kenia funktionieren kann. Das auch deshalb, weil im Querschnitt des Vertrages Kompromisse gelungen sind, die Grundlage für gelebt Politik sein können. Allerdings wird am Ende Politik von Menschen und nicht von Verträgen gemacht; es wird sich zeigen, ob die Akteure die vertraglich formulierten Kompromisse auch mit Leben füllen können. Darüber aber entscheidet auch in der Umweltpolitik eine Fähigkeit, die der Pfälzer in mir bis heute als „mit de Leit redde könne“ bezeichnet – eine Fähigkeit, die gerade heutigen Umweltpolitikern nicht durchgehend gegeben ist!
Weichenhan: Was wertest Du als größte Erfolge für die Landnutzer im Vertragswerk?
Beyer: Dass es einen sogenannten „Kulturlandschaftsbeirat“ geben wird und die Landnutzer nach harten Kämpfen nun zukünftig auch im Stiftungsrat des NaturSchutzFonds sitzen werden, sind sicherlich Erfolge, auf die ich bei Beginn der Gespräche nicht gewettet hätte. Aber auch manche auf den ersten Blick eher unscheinbaren Formulierungen, so zum Beispiel, dass ein „funktionierendes und wertgeschätztes Jagdwesen eine Voraussetzung für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Kulturlandschaft ist“, lassen hoffen. Es ist durchaus einiges drin, mit dem wir als Landnutzer zufrieden sein dürfen.
Semmele: Und wie sieht es mit den sprichwörtlichen Kröten aus, die zu schlucken sind?
Beyer: Lasst uns doch zusammen zunächst die Chancen sehen, die selbst in den Dingen stecken, die wir vielleicht auch aus guten Gründen eher als problematisch beurteilen. Mein Maßstab ist der, ob es der zukünftigen Landesregierung gelingt dicke Bretter zu bohren! Beispielsweise einen real kompensierenden finanziellen Ausgleich für NATURA 2000 Auflagen zu schaffen. Oder ob sie weiter phantasielos mit dem Ordnungsrecht einen enteignungsgleichen Weg geht. Ob die Kröte, bzw. der Frosch, zur Prinzessin wird, darüber entscheiden Menschen. Mit dem Koalitionsvertrag ist beides möglich – der Wille wird über den Erfolg entscheiden!
Semmele: Aber dennoch gibt es sicherlich einige Dinge, die Du trotzdem grundsätzlich kritisch bewertet?
Beyer: Auf alle Fälle das Arbeitspensum, zu dem sich die Landesregierung im Bereich der Landnutzungs- und Umweltpolitik verpflichtet hat, das bereitet mir in der Tat Sorge. Wir werden in den kommenden Jahren annähernd jedes uns betreffende Fachgesetz öffnen. Das fängt mit dem Waldgesetzt und dem Jagdgesetz an, geht wahrscheinlich unvermeidlich in das Naturschutzausführungsgesetz über und betrifft eine ganze Reihe weiterer Fachgesetze und Verordnungen. Inhaltlich habe ich davor keine Angst, wenngleich ich mich frage, ob sich die neue Landesregierung damit für fünf Jahre nicht deutlich zu viel aufgeladen hat.
Weichenhan: Wie sieht es für die Fischer und Angler des Landes aus! Was kommt genau auf uns zu?
Beyer: Eine entscheidende Festlegung sehe ich darin, dass in den Entwicklungskonzeptionen im Rahmen der FFH-Managementplanung zukünftig auch der fischereiliche und naturschutzfachliche Sachverstand der organisierten Anglerschaft einbezogen werden soll, gleichzeitig aber Regelungen zur guten fachlichen Praxis festzuschreiben sind. Das zeigt Chancen und Möglichkeiten der Angler und Fischer deutlich auf. Es wird die Herausforderung der kommenden fünf Jahre werden, sich einzubringen und aus Vorlagen etwas zu machen. Das bedeutet proaktiv zu agieren und erst gar nicht abzuwarten, bis die Politik Regeln zur guten fachlichen Praxis vorlegt. Wir haben im Forum Natur auf der letzten Vorstandsitzung daher auch vereinbart, dass wir diesen Prozess über alle Verbände hinweg offensiv angehen wollen.
Semmele: Du hast es schon gesagt, die Jagd wird mit einer Jagdgesetznovelle konfrontiert werden. Befürchtest Du hier nicht endgültig einen Dammbruch?
Beyer: Wir haben die Entscheidung zur Gründung des Forum Natur einen Tag nach dem Marsch von 15.000 Jägern über den Rhein bei Düsseldorf getroffen. Ich habe den Jägern des Landes kurz danach bei einem Landesjägertag prophezeit, dass der Tag kommen wird, an dem wir, wenn es sein muss, ebenso von Berlin über die Glienicker Brücke nach Potsdam marschieren müssen. Nun hatten wir annähernd fünf Jahre Zeit im Forum Natur und haben viel gemeinsam gelernt. Fürchten müssen sich also die, die den Geist aus der Flasche lassen wollen! Wir haben jetzt nur eine einzige Aufgabe, nämlich dass vom nächsten Landesjägertag im Mai kommenden Jahres ein starkes Signal der Geschlossenheit eines Verbandes ausgeht, der zusammen mit den anderen Landnutzern jederzeit bereit ist auf die Läufe zu kommen!
Semmele: Nachfrage, gewundert hat uns, dass eine Überarbeitung der Jagd DV keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat, obwohl das unseres Wissens eine klare Forderung der CDU war?
Beyer: Dazu könnte ich jetzt einiges fast humoristisches sagen, bitte aber um Verständnis, dass es gute Sitte unter den Teilnehmern solcher Verhandlungen ist, dass das Eine oder Andere im Kreis derer bleibt, die dort teils zu sehr frühen Morgenstunden Lösungen finden mussten. Es langt in dem Kontext die Feststellung, dass eine Gesetzesnovellierung faktisch immer die Überarbeitung der Durchführungsverordnung zum Gesetz mit sich zieht; es sei denn, man ändert annähernd nichts im Gesetz.
Weichenhan: Abschließend noch die Frage, wie Du deine Erwartungshaltung an die kommenden fünf Jahre beschreibst?
Beyer: Ob es fünf Jahre werden ist möglich, aber auch hier liegt zwischen Heute und Morgen immer ein „Vielleicht“! Eine spannende und wohl sehr arbeitsreiche Zeit wird es auf alle Fälle.
2 Nov, 2018 | Interview, Presseinfo, Wolf
Interview mit dem Geschäftsführer des FNB, Gregor Beyer, zur bevorstehenden Kundgebung: „Aktives Wolfsmanagement jetzt!“
Erschienen in „WirJäger“, Ausgabe 11/2018
Wir Jäger: Herr Beyer, die Wolfsrisse sind in diesem Jahr exorbitant gestiegen. Nun wollen unsere Bauern vor dem Landtag demonstrieren?
Beyer: Das ist richtig! Am 10. November wird vor dem brandenburgischen Landtag eine durch den Bauernbund organisierte Kundgebung stattfinden. Die Verbände im Forum Natur rufen unter dem Motto „Aktives Wolfsmanagement jetzt“ zur Teilnahme auf. In der Woche, in der auch die Umweltministerkonferenz stattfinden wird, wollen wir deutlich machen, dass es mit der Wolfspolitik so in Deutschland nicht mehr weitergehen kann!
Wir Jäger: Sie sagen, dass der Bauernbund diese Demonstration organisiert. Gab es nicht zuletzt auch einige Diskussionen um den Begriff der sogenannten „Wolfsfreien Zonen“?
Beyer: Korrekt! Wir haben im Forum Natur und insbesondere auch in der Jägerschaft grundsätzlich gewisse Vorbehalte gegen „Wildtierfreie Zonen“ aller Art. Es ist ein Bestandteil unserer Ethik, wenn Sie so wollen der Waidgerechtigkeit, dass Wildtiere grundsätzlich ihren Lebensraum frei suchen dürfen; das gilt für den Rothirsch genauso wie für den Wolf! Unbenommen davon bleibt es natürlich in der Verantwortung eines aktiven Wildtiermanagements, dass es darüber hinaus Areale geben muss, in denen verschiedene Tierarten mit auch aller Konsequenz gejagt werden müssen – und sei es beispielsweise nur um die Scheu des Wolfs zu garantieren. Das wird aber niemals dazu führen, dass eine sogenannte „wolfsfreie Zone“ deshalb völlig wolfsfrei sein wird. Insofern ist der Begriff in der Tat missverständlich.
Wir Jäger: Dennoch rufen die Verbände im Forum Natur und damit auch die Jägerschaft zur Teilnahme an der Demonstration auf?
Beyer: Selbstverständlich! Auch der kritische Diskurs um die richtige Wortwahl ändert nichts daran, dass die Verbände des ländlichen Raums solidarisch zueinander stehen. Was momentan insbesondere unsere Weidetierhalter aushalten müssen – ganz abgesehen davon, dass auch die Jagd vor großen Herausforderungen in Sachen Wolf steht – verpflichtet uns gemeinsam für ein vernünftiges Wildtiermanagement zu kämpfen. Das Gegenüber sind dabei nicht einzelne Verbände, sondern eine Politik, die momentan an den Herausforderungen vernunftgemäßen Handelns scheitert.
Wir Jäger: Apropos Wolfsmanagement, wie geht es mit dem Wolfsmanagementplan für Brandenburg eigentlich weiter?
Beyer: Es ist geradezu ein Skandal, dass ausgerechnet Brandenburg, das erste deutsche Bundesland mit einem Wolfsmanagementplan, momentan nur mit einer peinlichen Loseblattsammlung dasteht. Richtigerweise hat Minister Vogelsänger vor wenigen Tagen eine lobenswerte Bundesratsinitiative gestartet. Gleichzeitig sich bei seinen Kollegen aber dem Vorwurf auszusetzen, dass im Land Brandenburg die landespolitischen Hausaufgaben nicht gemacht sind, konterkariert einen solchen Ansatz sträflich. Es geht daher darum Druck auf allen Ebenen auszuüben; vom Land, über den Bund, bis zur EU. Daher freuen wir uns, wenn wir am 10. November vor dem brandenburgischen Landtag auch viele Jäger begrüßen können!
1 Mrz, 2018 | Interview
Herr Beyer, was erhoffen Sie sich von den zweiten Wolfswachen? Die Reaktionen und Folgen der ersten Wolfswachen vom vergangenen Jahr waren durchaus sehenswert.
So ist es! Es war eine unserer besten Entscheidungen im vergangenen Jahr zusammen mit unseren Partnern und Mitgliedsverbänden die erste brandenburgweite Nacht der Wolfswachen zu organisieren. Seitdem hat sich der Fokus von einer Diskussion der Betroffenen in den öffentlichen Raum bewegt und dabei auch für viel -teilweise unerwarteten- Zuspruch gesorgt. Wir dürfen eben keine Angst haben unsere Themen zu transportieren; gerade dann, wenn es keine einfachen sind. Deshalb werden wir auch am 9. März wieder mit dabei sein!
Das Forum Natur Brandenburg schätzt es durchaus, dass die Wolfsverordnung vom Land Brandenburg im Eiltempo durch die Instanzen gegangen ist – hält sie jedoch für inpraktikabel. Nun wurde von einem Landwirt das erste Mal Antrag gestellt, die Wolfsverordnung anzuwenden und das Dobbrikower Wolfsrudel zu entnehmen. Haben Sie eine Prognose, wie sich dieser Fall entwickeln wird?
Für uns war bei aller deutlich vorgetragenen Kritik an der gegenwärtigen Verordnung immer klar, dass diese die Chance erhalten soll sich in der Praxis zu bewähren und dann ein abschließendes Urteil zu fällen sein wird! Daher unterstützen wir auch den Landwirt, der nun nach Recht und Gesetz einen ersten Antrag gestellt hat. Nun hat die Verwaltung die Chance auch den praktischen Beweis dafür anzutreten, dass die von ihr gewollte Wolfsverordnung die bestehenden Probleme löst. Eine persönliche Prognose wie das ausgeht habe ich zwar -aber man will natürlich fair sein und der Verwaltung die Chance lassen.
Der Bauernbund, der förderndes Mitglied des Forum Natur Brandenburg ist, vertritt eine radikale Notwehr-Position. Ihre unterscheidet sich davon. Inwiefern und warum?
Der Bauernbund hat eine Frage aufgeworfen von der ich immer vorausgesagt habe, dass sie sich unweigerlich stellen wird, wenn die Politik beim Wolf weiterhin so kläglich versagt. Ich bin nun sehr gespannt auf die juristische Begründung, die der Bauernbund ja in Kürze vorlegen will. Gleichsam gilt für das Forum Natur unmissverständlich: „Wir stehen fest auf dem Boden unserer Gesetze!“ Dort wo sich diese als fehler- oder lückenhaft erweisen, kämpfen wir dafür, dass sie sich ändern. Die Macht des Faktischen, an der nach meiner festen Überzeugung auch die Politik langfristig nicht mehr vorbeikommen wird, die schafft der Wolf selbst!
Dennoch unterstützen Sie den Bauernbund?
Als wir das Forum Natur gegründet haben wurde ich von einem Journalisten gefragt, ob wir die neue „Einheitsfront der Landnutzer“ seien. Ich habe damals geantwortet, dass wir etwas viel Besseres sind als eine Einheitsfront. Denn wir werden getrennt marschieren und am Ende immer vereint schlagen. Sie dürfen absolut sicher sein, dass das auch auf den Bauernbund zutrifft.
Die Abkalbesaison steht vor der Tür, 2017 wurden an geschädigte Halter von Nutztieren allein 86.000 Euro ausgezahlt, fast das Doppelte des Betrags von 2016. Die Landesregierung möchte deswegen einen Wolfsjäger anstellen und hat eine Stellenanzeige geschaltet. Was halten Sie davon?
Ich halte davon gar nichts! Und bin sehr froh, dass wir uns bezüglich der Wolfsverordnung zumindest dahingehend durchgesetzt haben, dass nunmehr ein Vorrang der Jagdausübungsberechtigten vor dem Zugriff eines sogenannten „staatlichen Wolfjägers“ in der Verordnung aufgenommen ist. Was wir definitiv nicht zulassen werden -und zwar ganz unabhängig davon, ob der Wolf formal jagdbares Wild ist oder nicht ist- dass bewaffnete private Wolfsjäger durch unsere Reviere schleichen. Bezüglich der Frage, wie verfahren werden kann, wenn die Jagdausübungsberechtigten das praktische Management nicht selbst übernehmen wollen, haben wir der Landesregierung auf Basis unserer Mitgliedsverbände einen praktikablen Vorschlag unterbreitet. Die Reaktion der Verwaltung wird für uns ein wesentlicher Maßstab für unser weiteres politisches Vorgehen sein.
Was sind Ihre zentralen Forderungen an die Landesregierung in Bezug auf die Wolfsverordnung?
Die Landesregierung muss ganz einfach den Beweis antreten, dass ihre Wolfsverordnung funktioniert. Das bedeutet konkret, dass auf die Anträge betroffener Landwirte bei minimaler Bearbeitungszeit eine praktikable Antwort vorliegen muss. Wenn die Landesregierung nicht in der Lage ist in einer Zeit von maximal vier Wochen auf einen solchen Antrag zu reagieren, dann ist die Wolfsverordnung gescheitert! Wenn Sie in einer Art und Weise auf die Anträge reagiert, die zu keiner Problemlösung führt, dann ist die Wolfsverordnung ebenfalls gescheitert!
In früheren Jahrzehnten waren es die Robben und die Wale, die die Öffentlichkeit bewegten. Heute ist es der Wolf. Warum brennen so viele Menschen für diese Prädatoren?
Der Wolf ist geradezu das personifizierte Symbol für die Sehnsucht des Menschen nach Wildnis! Wer im urbanen Raum lebt, der trägt diese Sehnsucht offenbar in sich. Anders ließe sich psychologisch übrigens nicht erklären, warum sich gerade der Stadtmensch am liebsten mit Outdoorklamotten und schicken SUV durch die Häuserschluchten bewegt! Wie dem auch sei, machen wir doch was draus! Holen wir die Menschen doch ab dort wo sie sind und machen ihnen klar, dass wir uns selbst auch mit dem Wolf identifizieren! Alles was wir ihnen erklären müssen ist die Tatsache, dass derjenige der Wölfe haben will, bereit sein muss sie zu managen, gerne mit SUV und im sündhaft teuren Outfit!
Warum stehen anscheinend so viele Menschen dem gleichgültig gegenüber, wenn Kälber und Schafe gerissen werden bzw. die wirtschaftliche Existenz von Landwirten gefährdet erscheint?
Tun sie das? Mein Eindruck ist eher, dass kaum eine Sache so sehr zum deutlich wahrnehmbaren Meinungswandel beigetragen hat, wie die Bilder von gerissenen Schafen und Kälbern. Die Menschen werden nun auf einmal mit Bildern konfrontiert, die so gar nicht in das heilige Spendensammelschema einiger Verbände passen. Tatsache ist aber, dass wir uns dem Problem stellen müssen, dass insbesondere diejenigen Menschen gegen die sogenannte Massentierhaltung demonstrieren, deren Leben im urbanen Raum tendenziell dem einer „Massenmenschhaltung“ entspricht. Aber nichts ist politisch so produktiv, wie bestehende Widersprüche aufzugreifen -ich halte auch das für eine Chance!
Gehört der Wolf in unsere Kulturlandschaft?
Ferdinand von Raesfeld hat vor über 100 Jahren das Aussterben des Rotwildes in der Kulturlandschaft prophezeit. Wie wir wissen kam es anders! Und das deshalb, weil es die Jäger waren die erkannt haben, dass die Wildtiere genauso wie die Kulturlandschaften selbst immer gemanagt werden müssen. Das Rotwild wie die Wölfe sollten zunächst das Recht haben, sich ihren Lebensraum zu suchen. Und es müssen weiterhin die Jäger sein, die die sich daraus ergebenden Konflikte in unseren Kulturlandschaften lösen und ggf. auch bestimmen, wo die ein oder andere Art nichts zu suchen hat. Alles andere wäre eine Welt die denkbar, aber sinnlos wäre!
Die Fragen stellte Helge von Giese. Es ist in „Wir Jäger“, Ausgabe 03/2018 erschienen.
Wir Jäger, Ausgabe 03/2018 zum download: WirJaeger_3.2018
Bildnachweis: ©RRENOIR CREATIVE STUDIO, Rudi-Renoir Appoldt