Gregor Beyer war als Mitglied im Verhandlungsteam der CDU an der Erarbeitung des Koalitionsvertrages im Kapitel „Landnutzungs- und Umweltpolitik“ beteiligt. Mit ihm sprachen Anja Semmele, Chefredakteurin „Wir Jäger“, und Marcel Weichenahn, ihr Kollege des „Märkischen Angler“, über seine Einschätzung zu den Ergebnissen und zu den Herausforderungen, die auf die Landnutzer nun zukommen.
Das Interview ist zuletzt gekürzt in der Ausgabe 70, Januar bis März 2020, des Märkischen Fischer erschienen. Nachfolgend wird die ungekürzte Fassung wiedergegeben.
Weichenhan: Gregor, du warst im Verhandlungsteam der CDU an der Aushandlung des Koalitionsvertrages in der Arbeitsgruppe beteiligt, die die Agrar- und Umweltpolitik verhandelt hat. Wie ist es dazugekommen?
Beyer: Das ist ganz einfach! Mich hat der Fraktionsvorsitzende der CDU angerufen und mich gefragt, ob ich Interesse daran hätte mich bei diesen Fachthemen einzubringen. Das habe ich spontan zugesagt, denn der Koalitionsvertrag ist die Arbeitsgrundlage der Landesregierung für die nächsten fünf Jahre und die Herausforderungen im Bereich der Landnutzungs- und Umweltpolitik sind nun wahrlich groß; nicht zuletzt nach den vergangenen Jahren, die nicht gerade zu den politisch dynamischsten in der Umweltpolitik gehört haben.
Semmele: War das für ein „Nicht-CDU-Mitglied“ nicht eine ungewöhnliche Erfahrung?
Beyer: Nun ja, es ist vielleicht nicht das gängigste Verfahren. Ich empfand jedoch den Ansatz der CDU, fachlichen Sachverstand ganz unabhängig vom parteipolitischen Hintergrund bei einem Regierungsprogramm in den Fokus zu stellen, als überaus zukunftsorientiert. Zudem habe ich es als Signal an die Landnutzer empfunden, dass unsere Expertise zählt; das ist gegenwärtig im politischen Umfeld ja nicht immer der Fall. Eine kleine Schrecksekunde gab es jedoch in der Tat in dem Moment, als ich bei der ersten Sitzung meinen und den Namen des Verhandlungsteams in die Anwesenheitsliste eintragen musste. In der Spalte der Parteizugehörigkeit ist in letzter Sekunde aus dem geraden Strich des „F“ dann doch noch ein rundes „C“ geworden.
Weichenhan: Es gab auch Gerüchte über einen bevorstehenden Parteiwechsel?
Beyer: Gerüchte über einen bevorstehenden Parteiwechsel gab es in meiner politischen Laufbahn nun mittlerweile schon in drei verschiedene Richtungen, meines Wissens jedoch noch nie in Richtungen, die mich beunruhigen müssten. Insofern lohnt eine Erörterung dazu nicht, für einen freien und unabhängigen Geist schon gleich gar nicht!
Semmele: Das Verfahren mit unterschiedlichen Arbeitsgruppen und einer Hauptverhandlungsgruppe zum Koalitionsvertrag zu kommen war für das Land Brandenburg ein Novum?
Beyer: Ja das ist richtig! Es gibt ja nun auch ein Dreierbündnis. Das hat ein aufwändiges Verfahren mit Facharbeitsgruppen notwendig gemacht und ist demokratisch sicherlich auch besser als ein „Küchenkabinett“, das in kleiner Runde einsame Entscheidungen trifft. Gleichwohl ist es an der ein oder anderen Stelle schade, dass nicht jeder Kompromiss der Fachpolitiker von der Hauptverhandlungsgruppe, so wie ursprünglich verhandelt, übernommen wurde. Dennoch glaube ich, dass das ein gutes Verfahren war.
Weichenhan: Woran hat es gelegen, dass sich Kompromisse aus der Agrarumweltgruppe nicht eins zu eins im Koalitionsvertrag wiederfinden
Beyer: Dafür sind zwei Gründe ursächlich. Zum einen war es der Auftrag der Facharbeitsgruppe, ein ungefähr achtseitiges Papier zu verhandeln. Leider ist ein Verhandlungspartner mit einem rund 60-seitigen Papier gestartet, wären ein anderer mit einem fast erschreckenden kurzen Themenkonvolut ins Rennen gegangen ist. Das hat am Ende zu einem 20-seitigen Papier der Facharbeitsgruppe geführt, das die Hauptverhandlungsgruppe allein schon des Umfangs wegen kürzen musste. Taktisch war das einfach eine Dummheit, die sich die Facharbeitsgruppe selbst zuschreiben muss. Zum anderen ist es ganz natürlich, dass eine Hauptverhandlungsgruppe am Ende die zugelieferte Verhandlungsmasse zu einem Gesamtkompromiss verdichten muss.
Semmele: Wie bewertest Du insgesamt den Koalitionsvertrag als Grundlage für die nächsten fünf Jahre!
Beyer: Als Mitglied im Verhandlungsteam misst man das natürlich auch an dem Wissen, welche Forderungen anfänglich alle auf dem Tisch gelegen haben. Daran gemessen kann sich das Endergebnis sehen lassen und ist eine gute Grundlage, mit der Kenia funktionieren kann. Das auch deshalb, weil im Querschnitt des Vertrages Kompromisse gelungen sind, die Grundlage für gelebt Politik sein können. Allerdings wird am Ende Politik von Menschen und nicht von Verträgen gemacht; es wird sich zeigen, ob die Akteure die vertraglich formulierten Kompromisse auch mit Leben füllen können. Darüber aber entscheidet auch in der Umweltpolitik eine Fähigkeit, die der Pfälzer in mir bis heute als „mit de Leit redde könne“ bezeichnet – eine Fähigkeit, die gerade heutigen Umweltpolitikern nicht durchgehend gegeben ist!
Weichenhan: Was wertest Du als größte Erfolge für die Landnutzer im Vertragswerk?
Beyer: Dass es einen sogenannten „Kulturlandschaftsbeirat“ geben wird und die Landnutzer nach harten Kämpfen nun zukünftig auch im Stiftungsrat des NaturSchutzFonds sitzen werden, sind sicherlich Erfolge, auf die ich bei Beginn der Gespräche nicht gewettet hätte. Aber auch manche auf den ersten Blick eher unscheinbaren Formulierungen, so zum Beispiel, dass ein „funktionierendes und wertgeschätztes Jagdwesen eine Voraussetzung für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Kulturlandschaft ist“, lassen hoffen. Es ist durchaus einiges drin, mit dem wir als Landnutzer zufrieden sein dürfen.
Semmele: Und wie sieht es mit den sprichwörtlichen Kröten aus, die zu schlucken sind?
Beyer: Lasst uns doch zusammen zunächst die Chancen sehen, die selbst in den Dingen stecken, die wir vielleicht auch aus guten Gründen eher als problematisch beurteilen. Mein Maßstab ist der, ob es der zukünftigen Landesregierung gelingt dicke Bretter zu bohren! Beispielsweise einen real kompensierenden finanziellen Ausgleich für NATURA 2000 Auflagen zu schaffen. Oder ob sie weiter phantasielos mit dem Ordnungsrecht einen enteignungsgleichen Weg geht. Ob die Kröte, bzw. der Frosch, zur Prinzessin wird, darüber entscheiden Menschen. Mit dem Koalitionsvertrag ist beides möglich – der Wille wird über den Erfolg entscheiden!
Semmele: Aber dennoch gibt es sicherlich einige Dinge, die Du trotzdem grundsätzlich kritisch bewertet?
Beyer: Auf alle Fälle das Arbeitspensum, zu dem sich die Landesregierung im Bereich der Landnutzungs- und Umweltpolitik verpflichtet hat, das bereitet mir in der Tat Sorge. Wir werden in den kommenden Jahren annähernd jedes uns betreffende Fachgesetz öffnen. Das fängt mit dem Waldgesetzt und dem Jagdgesetz an, geht wahrscheinlich unvermeidlich in das Naturschutzausführungsgesetz über und betrifft eine ganze Reihe weiterer Fachgesetze und Verordnungen. Inhaltlich habe ich davor keine Angst, wenngleich ich mich frage, ob sich die neue Landesregierung damit für fünf Jahre nicht deutlich zu viel aufgeladen hat.
Weichenhan: Wie sieht es für die Fischer und Angler des Landes aus! Was kommt genau auf uns zu?
Beyer: Eine entscheidende Festlegung sehe ich darin, dass in den Entwicklungskonzeptionen im Rahmen der FFH-Managementplanung zukünftig auch der fischereiliche und naturschutzfachliche Sachverstand der organisierten Anglerschaft einbezogen werden soll, gleichzeitig aber Regelungen zur guten fachlichen Praxis festzuschreiben sind. Das zeigt Chancen und Möglichkeiten der Angler und Fischer deutlich auf. Es wird die Herausforderung der kommenden fünf Jahre werden, sich einzubringen und aus Vorlagen etwas zu machen. Das bedeutet proaktiv zu agieren und erst gar nicht abzuwarten, bis die Politik Regeln zur guten fachlichen Praxis vorlegt. Wir haben im Forum Natur auf der letzten Vorstandsitzung daher auch vereinbart, dass wir diesen Prozess über alle Verbände hinweg offensiv angehen wollen.
Semmele: Du hast es schon gesagt, die Jagd wird mit einer Jagdgesetznovelle konfrontiert werden. Befürchtest Du hier nicht endgültig einen Dammbruch?
Beyer: Wir haben die Entscheidung zur Gründung des Forum Natur einen Tag nach dem Marsch von 15.000 Jägern über den Rhein bei Düsseldorf getroffen. Ich habe den Jägern des Landes kurz danach bei einem Landesjägertag prophezeit, dass der Tag kommen wird, an dem wir, wenn es sein muss, ebenso von Berlin über die Glienicker Brücke nach Potsdam marschieren müssen. Nun hatten wir annähernd fünf Jahre Zeit im Forum Natur und haben viel gemeinsam gelernt. Fürchten müssen sich also die, die den Geist aus der Flasche lassen wollen! Wir haben jetzt nur eine einzige Aufgabe, nämlich dass vom nächsten Landesjägertag im Mai kommenden Jahres ein starkes Signal der Geschlossenheit eines Verbandes ausgeht, der zusammen mit den anderen Landnutzern jederzeit bereit ist auf die Läufe zu kommen!
Semmele: Nachfrage, gewundert hat uns, dass eine Überarbeitung der Jagd DV keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat, obwohl das unseres Wissens eine klare Forderung der CDU war?
Beyer: Dazu könnte ich jetzt einiges fast humoristisches sagen, bitte aber um Verständnis, dass es gute Sitte unter den Teilnehmern solcher Verhandlungen ist, dass das Eine oder Andere im Kreis derer bleibt, die dort teils zu sehr frühen Morgenstunden Lösungen finden mussten. Es langt in dem Kontext die Feststellung, dass eine Gesetzesnovellierung faktisch immer die Überarbeitung der Durchführungsverordnung zum Gesetz mit sich zieht; es sei denn, man ändert annähernd nichts im Gesetz.
Weichenhan: Abschließend noch die Frage, wie Du deine Erwartungshaltung an die kommenden fünf Jahre beschreibst?
Beyer: Ob es fünf Jahre werden ist möglich, aber auch hier liegt zwischen Heute und Morgen immer ein „Vielleicht“! Eine spannende und wohl sehr arbeitsreiche Zeit wird es auf alle Fälle.